Erdbeerkönigin
sind die Eisenthuers, deren Name an der Tür steht?«
Schnell berichte ich ihr von Daniels Brief und von unserem Treffen bei Tante Hedwigs Geburtstag. Alissa ist beeindruckt und ein wenig eifersüchtig. »Davon hast du mir nie erzählt.« Sie bleibt ruckartig in der Tür des Badezimmers stehen.
»Was für eine riesige Wanne!«, jubelt sie und vergisst Daniel für einen Moment.
Mich wundert, dass sie ihre Klamotten nicht spontan abwirft.
»Meinst du, dass ich hier baden darf?«
»Jederzeit.«
Alissa ächzt: »Am liebsten jetzt gleich. Ich hab seit gestern Rückenschmerzen. Aber du weißt ja, in das kleine Ding bei uns zu Hause quetsche ich mich nicht so gern. Komm doch gleich mit rein, ob wir nun am Küchentisch reden oder in der Wanne …« Sie grinst mich frech an. »Keine Sorge, ich weiß schon, dass das nichts für dich ist.«
»Wer sagt das?«, frage ich herausfordernd und ziehe mir das T-Shirt über den Kopf. Als ich Alissas erstaunt aufgerissene Augen sehe, pruste ich los.
»Du hast dich aber verändert«, sagt sie baff. Doch dann beginnen ihre Augen zu leuchten. »Und weißt du was? Es gefällt mir sehr!«
Wir lassen Wasser ein und schlüpfen in die Bademäntel aus Daniels Schrank. Während ich den Rosé aus der Küche hole, inspiziert Alissa die Badezusätze und Duschgels.
»Guck mal, dieses Tablett habe ich im Schrank unter dem Waschbecken gefunden«, überrascht sie mich, als ich mit Flasche und Gläsern ins Badezimmer zurückkehre. »Und Schwimmkerzen. Eine habe ich schon angezündet.« Tatsächlich schwimmt eine brennende grüne Kerze im Badewasser.
Ich sehe das Tablett an. »Das habe ich noch nie gesehen. Was willst du damit?«
»Das können wir am Badewannenrand festmachen und als Tisch für den Wein verwenden.« Dann hält sie mir eine rote Flasche unter die Nase und liest das Etikett vor: »Hibiskus-Badeemulsion.« Großzügig schüttet sie die rötliche Flüssigkeit ins Wasser.
Wenig später lassen wir uns nacheinander in die Wanne und den Schaum gleiten und nippen an dem Rosé.
»Ich dachte, du würdest niemals anrufen«, platzt Alissa nach dem ersten Schluck heraus.
Ich nicke bedrückt. »Ich hätte es viel früher tun müssen.«
»Aber ich habe ja auch nicht angerufen«, gibt sie zu. »Mir ist das Leben dazwischengekommen.« Sie spielt mit dem Schaum und wirft mir einen unsicheren Blick zu. »Es fand sich immer eine gute Begründung, es aufzuschieben.«
Einen Moment lang schweigen wir beide. Ich weiß, was sie meint. Als unsere Funkstille so unversehens und grundlos andauerte, erfüllte mich ein paar Wochen lang ein unangenehmes Gefühl, und ich fragte mich kleinlich, wer wen zuletzt angerufen hatte. Mit der Zeit schwächte sich das Gefühl ab, und ich schob es so weit fort, dass ich es fast vergaß.
Ich betrachte meine Freundin, wie sie in der Wanne sitzt: Die roten, kurzen Locken kringeln sich um ihre Stirn und Ohren, vor dem weißen Schaum heben sich ihre Sommersprossen ab. Alissa ist wie ich Anfang vierzig. Wie sie da liegt, im Schaum mit den feuchten Haaren, ist sie mir sehr vertraut, und ich weiß gar nicht, wie ich auf sie verzichten konnte. Ich zwinkere ihr zu. »Du hast mir gefehlt.«
Alissa richtet sich auf. »Und du mir erst!«
Vier kleine Worte nur, aber sie trösten mich.
Dann drängt Alissa: »Also, spuck’s aus. Was ist los?«
Ich flüstere: »Nick und ich haben uns getrennt.«
Sie reißt ihre Augen auf. »Was soll das heißen?«
»Dass wir uns furchtbar am Telefon gestritten haben.« Mutlos nehme ich einen weiteren Schluck Rosé. »Alissa, ich bin in der Krise!«
Sie betrachtet mich mitfühlend, sie greift nach der Flasche und füllt mein Glas erneut. »Tschechow sagt: ›Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.‹«
»Hatte Tschechow Kinder in der Pubertät?«
»Es geht also eigentlich um Benny?«
Ich berichte ihr von Bennys Anruf, der alles ins Rollen gebracht hat. »Er kann doch nicht immer dann das Kind spielen, wenn er Mist gebaut hat, und ansonsten auf mich pfeifen«, empöre ich mich. »Und Nick will jetzt, dass ich nach Hause komme und alles wieder richte.«
Alissa hört genau zu und runzelt die Stirn. »Aber dass man sich wegen der Kinder streitet, gehört doch nun einmal dazu. Deswegen bist du doch nicht in der Krise! Bist du aus dem Grund nach Hamburg abgehauen?«
»Nein!«
»Was war mit diesem Daniel? Du hast mir nie von ihm erzählt.«
Ich lasse etwas heißes Wasser nachlaufen. »Es gibt auch nicht
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