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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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Traum. Ich schließe die Augen. Und trotz meines Kummers rollt ein zartes Glücksgefühl wie eine kleine warme Kugel in meinem Bauch, plumpst hell und strahlend mitten in meine dunklen Gedanken. Ich habe Alissa wiedergefunden.

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    18 . Kapitel
    In welchem Alter hattest Du die beste Zeit Deines Lebens?
(Gesprächsstoff: Original)
    Montag, Tag 13
    M ach doch?« Alissa schüttelt skeptisch den Kopf, als ich ihr beim Frühstück von Hubertus’ Geschichte erzähle. »Das heißt, du hast diesen Mann, diesen Daniel, ein Leben lang begleitet. Eine merkwürdige Vorstellung, oder?« Wir sitzen bei geöffneter Balkontür am Küchentisch. Draußen fällt schon seit den frühen Morgenstunden ein sanfter, stetiger Regen. Juni in Hamburg. Wie hatte Hubertus gesagt: »Der Juni ist die verbesserte Auflage des Aprils.« Diese Verbesserung liegt vor allem in der Temperatur. Insgesamt ist das Wetter zwar weniger Sonnenbrille als Regenschirm, aber dennoch sommerlich warm. »Man fühlt sich ein wenig wie in einem Strandcafé in der Bretagne«, seufzt Alissa jetzt, stützt ihr Kinn verträumt in die Hand und sieht in den Regen. »Sergej und ich sind dort vor unserer Hochzeit einmal für eine verregnete Sommerwoche gestrandet. Wir saßen tagelang in Cafés mit Meerblick, tranken unzählige Kaffees und schauten auf das graue Meer. Aber wir waren so verliebt, dass wir es trotzdem schön fanden.«
    Ich denke an Nick und unsere Trennung. Die Bretagne stand zwar nicht auf unserem Wunschzettel, aber ans Meer, möglichst ans Mittelmeer, hatten wir immer gemeinsam gewollt – und es dann doch nie geschafft. Missmutig werfe ich ein: »Ich war noch nie in der Bretagne. Nur einmal in Holland, als Benny klein war.«
    Alissa ignoriert meine Worte, sie ist jetzt bei Daniel. »Stell dir mal vor, da lebst du dein Leben in Bienenholz, bringst dein Kind zur Schule, kochst Essen für deine Familie – und währenddessen steht irgendwo auf dieser Welt ein Mann vor einem Gemälde, sagen wir in Paris oder Moskau, und überlegt, ob er es kaufen soll oder nicht. Und dann kommt ihm das Bild seiner kleinen Erdbeerkönigin in den Sinn, und er befragt sie wie ein Orakel.« Ihre Augen leuchten. »Dann wird dieser Galerist krank, sehr krank, und es packt ihn die Sehnsucht nach der kleinen Erdbeerkönigin. Ach, was hätte Tschechow daraus gemacht!«
    »Mit Sicherheit nichts«, stoppe ich ihren Redefluss. »Erstens: Hör bitte auf, mich als seine kleine Erdbeerkönigin zu bezeichnen. Ich war nie besonders klein.«
    »Aber du warst jung.«
    »Zweitens hat Daniel mich bestimmt nicht bei jedem Bilderkauf befragt. Das konnte er allein entscheiden, und ich verstehe von moderner Kunst so viel wie von Astrophysik, nämlich nichts.«
    »Trotzdem ist die Geschichte von Daniel und dir sehr romantisch.«
    Sie lächelte mich so lange auffordernd an, bis ich nicke.
    »Das ist sie. Aber auf eine Weise, die ich noch nicht ganz durchschaue. Denn du musst bedenken, dass Daniel mich nicht wiedertreffen wollte, solange er noch lebte. Er wollte, dass ich an seinem Grab spreche. Warum nur?«
    Alissa knabbert nachdenklich an ihrer Unterlippe. »Wieso habt ihr euch aus den Augen verloren?«
    Ich rühre geistesabwesend in meinem Kaffee. Ja, warum? Weil ich mich nicht getraut habe? Weil Daniel sich nicht mehr gemeldet hat?
    »Ich habe ihm eine Postkarte geschrieben, auf die er sich nie bei mir gemeldet hat. Danach hatten wir keinen Kontakt mehr. Aber nur, weil er es nicht wollte und weil ich dieses Signal verstanden habe.«
    »Vielleicht hatte er aber auch das bekommen, was er von dir wollte.«
    Ich ziehe meine Augenbrauen fragend hoch. »Wir haben uns doch nur geküsst.«
    Alissa winkt ab. »Ach Eva, erspar mir dieses Klischee ›Männer wollen immer nur das eine‹. Darum geht es doch gar nicht. Daniel wollte keinen Sex mit dir.«
    Das trifft meine Eitelkeit. »Ach, und warum nicht? Meinst du, dass er mich hässlich fand?«
    Alissa verdreht die Augen. »Du bist doch sonst viel klüger. Ohne Frage warst du süß und sexy.« Sie seufzt theatralisch auf. »Das waren wir doch alle.«
    Dann wird sie wieder ernst. »Nein, mir geht es um etwas anderes.«
    Sie beugt sich vor, und ich tue es ihr unwillkürlich gleich. »Du hast ihm diese Überlebensformel gegeben!«
    »Überlebensformel?«
    Alissa nickt ernst.
    »Genau. Du hast ihm Mut gemacht und warst vielleicht so etwas wie ein rettender Engel, als alle Welt an ihm herumzupfte, was er denn nun mit seinem Leben anfangen wolle. Kannst du dich

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