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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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dass Männer in seinem Alter Kinder überhaupt wahrnehmen.
    Berger nickt. »Sie war einmal da, als Daniel untersucht wurde. Sie musste warten. Da haben wir uns länger unterhalten. Über das Tanzen und über Delphine. Sie will Tänzerin werden.«
    Er seufzt. »Ich wünschte, ich hätte in ihrem Alter schon gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen möchte. Dann hätte ich nicht so viel Zeit mit Suchen verschwendet.« Er richtet sich auf. »Apropos suchen. Ich würde gern nach dem Buch suchen. Wo könnte ich wohl fündig werden?«
    Ich zeige durch die Tür. »Im Flur stehen die meisten Bücherregale, ein paar auch in der Küche und im Wohnzimmer. Soll ich Ihnen helfen?«
    Sven winkt ab. »Ich frage mal Mia – vielleicht hat sie Lust, mir zu helfen.«
    Ich sehe zu, wie er langsam das Zimmer verlässt. Er geht wie ein alter Mann. Mein Herz fühlt sich wund an. Aus dem Augenwinkel sehe ich Maria umsichtig benutzte Gläser einsammeln, wenig später geht sie mit einer Flasche Wein umher und schenkt nach. Sie lächelt mir zu, als sie an mir vorbeikommt, und am liebsten würde ich sie anhalten und sie nach ihrer Zukunft fragen, nach ihren Plänen, nach ihrem Leben ohne Papiere in der Illegalität. Aber ich weiß nicht, wie ich beginnen soll, und dann ist der Moment vorbei. Maria geht weiter.
     
    Auf der Suche nach Alissa schlendere ich langsam durch die Wohnung, die fast zwei Wochen mein Zuhause war. Die Tür zu Daniels Arbeitszimmer ist angelehnt, und ich stoße sie leise auf. Unwillkürlich zucke ich zusammen, als ich den schmalen Rücken von Francesca vor mir sehe. Ihr Körper wird von Schluchzern geschüttelt. Das Taschentuch mit dem schwarzen Rand hat sie achtlos auf den Schreibtisch geworfen, wie eine Requisite, die sie nicht mehr braucht. In diesem Moment verstehe ich, dass Francesca aufrichtig um Daniel trauert. Dass sie Daniel viel mehr liebte, als er umgekehrt dazu in der Lage war. Und dass die Pose, die Rolle der trauernden Witwe, ihr hilft, über diese für sie so schreckliche Erkenntnis hinwegzukommen. Vorsichtig ziehe ich die Tür wieder zu.
    Alexandra winkt mir von der Küchentür aus zu, hinter ihr erkenne ich Alissa, die ein Weinglas hebt.
    »Deinen Vino hatte ich völlig vergessen«, sagt sie, als ich die Küche erreiche. »Wir reden gerade darüber, wie du und Daniel euch kennengelernt habt.«
    Ich nippe von dem Wein. »Nicht besonders aufregend, oder?«
    Alexandra wiegt den Kopf. »Kommt darauf an. Eine Frühsommernacht an der Elbe kann sehr aufregend sein. Vor allem, wenn man neunzehn ist.«
    Alissa lächelt.
    »Die ganze Nacht an der Elbe – du hast von Hamburg wirklich gar nichts gesehen!«
    Alexandra nickt bestätigend. »Typisch Daniel. Die Szene hat ihn nie interessiert. Also Nachtclubs, schicke Bars oder tolle Restaurants. Er aß gern gut. Aber das musste für ihn nicht unbedingt mit Sterneküche zu tun haben.«
    Alissa fragt wieder einmal: »Aber was ist mit dem Kiez, mit St. Pauli, der Reeperbahn?«
    »Für mich war es gar nicht Hamburg. Sondern ein Fluss, eine Nacht und wir«, versuche ich ihre Phantasie zu zügeln. Aber beide wirken so enttäuscht, dass ich nun doch ein wenig mehr erzähle.
    Obwohl ich versuche, meine Schilderungen möglichst harmlos klingen zu lassen, und obwohl ich sowohl das nächtliche Bad als auch den Kuss auslasse, weiten sich Alexandras Augen. Als ich erwähne, dass Daniel sich nie auf meine Postkarte gemeldet hat, sagt sie mitfühlend: »Das war bestimmt schrecklich für dich.« Sie schüttelt den Kopf. »Und wir konnten damals nicht mal eben bei Facebook etwas posten oder eine SMS schicken. Wie haben wir das nur ausgehalten?«
    Ich nehme noch einen Schluck Wein. »Das Gefühl der Ablehnung bleibt immer dasselbe – gleichgültig ob eine Postkarte nicht beantwortet oder eine SMS ignoriert wird.«
    In diesem Moment betritt Francesca die Küche. Ihr frisch gepudertes Gesicht weist keinerlei Tränenspuren mehr auf. Ihre Lippen sind frisch geschminkt. Sie streift unsere kleine Gruppe mit einem kurzen, hochmütigen Blick, wirft den Kopf in den Nacken und stolziert aus dem Raum.
    »Was macht Francesca eigentlich beruflich?«, fragt Alissa.
    Alexandra runzelt erst die Stirn, denkt nach und hebt schließlich ein wenig schuldbewusst die Schultern. »Ich glaube, sie hat mal irgendetwas studiert. Grafikdesign? Daniel hat sie kennengelernt, als sie bei einer Vernissage im Service eines Catering-Unternehmens gejobbt hat.«
    Sie lächelt verlegen. »Ich habe sie nie genauer

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