Erdbeerkönigin
leise, aber sehr deutlich: »Ja, ich bin Daniels Tochter.«
Allen ist wohl plötzlich bewusst, dass Mia in dieser Gruppe den größten Verlust ertragen muss.
Die Frau mit der Kostümjacke hockt sich neben sie. »Da hat Daniel aber großes Glück gehabt, mit einer so tollen Tochter.«
Mia nickt.
Der Mann, der vom Twisterspiel erzählt hat, lächelt ihr aufmunternd zu. »Aber die Leute, die bei dieser langweiligen Party dabei waren, hatten auch Glück. Denn dein Papa hat das Twisterspiel aus dem Auto geholt, und dann haben all diese öden Kulturfuzzis auf dem Boden gelegen und Twister gespielt!«
Filou ruft: »Das sollten wir in der Kulturbehörde als Alternativprogramm zur Schließung von Museen vorschlagen!«
Alle lachen.
Alissa und Theo bringen Tabletts mit gefüllten Weingläsern ins Wohnzimmer, und alle bedienen sich. Langsam lockert sich die Stimmung. Einige suchen sich DVDs und CDs oder Bücher aus. Fremde stellen sich gegenseitig vor: »Woher kanntest du Daniel?« Alte Bekannte feiern Wiedersehen: »War das nicht bei dieser Ausstellungseröffnung in der Kunsthalle?«
Manchmal wird es sehr still – dann nehmen Menschen einander für einen Moment in den Arm.
Alissa hält mir einen Teller mit Käse unter die Nase. »Die sind alle zahm. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Während ich ein Stück Käse in den Mund schiebe, lasse ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Überall stehen die Menschen zu zweit oder in kleinen Grüppchen herum, auf dem Flur unterhalten sich drei Männer vor dem Bücherregal, aus der Küche dringen ebenfalls Stimmen.
Es klingelt wieder. Hubertus gibt mir ein Zeichen, dass er zur Tür geht, und kehrt einen Moment später mit Francesca zurück. Sie trägt ein enges, ärmelloses schwarzes Kleid und einen schwarzen Samthaarreifen und erinnert mich an Michelle Pfeiffer in dem Film »Die Mafiosi-Braut«. Ziemlich unpassend finde ich ihre blutrot geschminkten Lippen.
Ich will Alissa zuraunen, dass Francesca gekommen ist, aber sie ist schneller. Mit einer entschiedenen Bewegung schüttelt sie Hubertus’ Hand ab und stöckelt mit tödlicher Bestimmtheit auf mich zu.
»Du bist ja immer noch hier!«, zischt sie mich an. Die Umstehenden werden aufmerksam und unterbrechen ihre Gespräche.
Mittlerweile ist Hubertus bei uns angekommen.
»Francesa, was möchtest du trinken? In der Küche gibt es Wein oder Bier …«
Francesca knüllt ein schwarz umsticktes Taschentuch in ihren manikürten Fingern und verdreht dramatisch die Augen. »Hubertus, erspare mir das. Sorge dafür, dass diese Frau verschwindet. Sie gehört nicht hierher, sie ist eine Fremde. Sie kannte Daniel nicht. Nur wir kannten ihn …«
Sie tupft sich die Augen mit dem Taschentuch, reicht schließlich mit großer Geste Hubertus ihren Arm und lässt sich von ihm fortziehen. Während er beruhigend auf sie einredet, wirft er mir einen entschuldigenden Blick zu.
»Ich kann verstehen, dass du vor der Angst hast«, raunt mir Alissa zu. »Was für ein dramatischer Auftritt. Stilisiert sich hier als trauernde Witwe hoch.«
»Vielleicht ist sie ja wirklich traurig«, wende ich ein und versuche durch bewusstes Atmen meinen Herzschlag wieder zu beruhigen.
Alissa verzieht süffisant die Lippen. »Unsinn, das war doch gespielt und aufgesetzt. Wie aus einer Seifenoper!«
Sie knufft mich liebevoll in die Seite. »Magst du einen Wein?« Und mit einem Blick auf mich ergänzt sie. »Keine Angst, du bleibst hier, und ich sondiere das Terrain.« Sie stockt. »Sag mal, kennst du den?«
Als ich aufsehe, lehnt Sven Berger im Türrahmen.
»Herr Berger!« Ich eile auf ihn zu. Er ist blass, wirkt viel schmaler und jünger als bei unserem letzten Treffen.
»Ich habe gar nicht mitbekommen, dass Sie da sind.«
Sven reicht mir seine kühle, magere Hand. »Ich bin mit Francesca gekommen.« Er macht eine unsichere Pause. »Das heißt, ich habe hinter ihr die Wohnung betreten. Sie hat mich total übersehen.«
Ich ziehe ihn zum Sofa. »Wie geht es Ihnen?«
Berger hebt die Schultern. »Die einen sagen so, die anderen so.« Er wird wieder ernst. »Schlechter als letzte Woche, besser als gestern.« Er blickt sich um. »Mächtig was los hier! Kennen Sie die alle?«
»Ein paar. Wen kennen Sie?«
Berger zählt auf: »Hubertus, Francesca, Sie, Theo, Alexandra und die kleine Mia.«
»War Mia häufig im Krankenhaus?«
»Ein paarmal. Sie ist ein besonderes Kind.«
»Ein besonderes Kind?«, wiederhole ich fragend.
Es ist ungewöhnlich,
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