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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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zweite Frage zu antworten: »Nein, ich habe so etwas noch nie gemacht. Das ist ja auch eine ungewöhnliche Bitte.« Die beiden nicken verständnisvoll und sehen mich so freundlich an, dass ich es wage, ein wenig aus der Deckung zu kommen. Also füge ich hinzu: »Ich weiß gar nicht, ob ich das kann. Wäre es nicht besser, wenn das ein Pastor macht?«
    Alexandra legt ihre Stirn in Falten. »Daniel war kein Kirchgänger. Der war noch nicht einmal mehr in der Kirche. Was sollte denn ein Pastor über Daniel erzählen können?«
    »Aber ich weiß doch auch nicht viel mehr. Warum hält keiner von euch die Rede?«
    Billies Stimme nimmt einen geschäftsmäßigen Ton an, und ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich in ihrer Agentur damit durchzusetzen vermag. »Weil das nicht Daniels Wunsch war. Er wollte, dass du an seinem Grab redest. Punkt.« Sie angelt erneut nach einer Zigarette.
    Trotzdem versuche ich es mit Gegenwehr. »Aber ein Pastor oder eine Pastorin, die haben doch immer Floskeln parat, die am Grab gesagt werden.« Ich verstumme.
    Alexandra sagt: »Tja, aber der Wunsch ist typisch für Daniel – bei ihm musste immer alles originell sein. Wenn andere sterben, kümmert sich die Kirche um den Rest. Aber bei ihm nicht! Er stöbert dich in der Provinz auf, stellt uns alle vor ein Rätsel, und du quälst dich jetzt mit dem Text. Wirklich, typisch Daniel!«
    In ihren Augen liegt Bitterkeit.
    Billie findet momentan weder meine Probleme noch Alexandras Verletzung interessant. Sie fasst nur zufrieden zusammen: »Auf jeden Fall wollte Daniel eindeutig nicht, dass Francesca ihren großen Auftritt bekommt.«
    Alexandra ergänzt: »Das war sowieso eine Schnapsidee, denn Daniel hatte sich doch von ihr getrennt.«
    »Ja, aber sie sich nicht von Daniel!« Billie zupft an einem Petersilienblatt, das als Dekoration neben ihrem Rührei liegt. »Ich habe nie verstanden, was an diesem Mann so einzigartig war. Aber offenbar fiel es vielen Frauen sehr schwer, sich von Daniel zu trennen.« Sie blickt Alexandra bedeutungsvoll an.
    Die winkt ab. »Ach, hör doch auf damit! Ich
war
getrennt von Daniel. Ich … ich wollte Mia nur den Vater erhalten. Und ich fand, dass er sich mehr um seine Tochter hätte kümmern können.«
    »Daniel war ein Beziehungskrüppel«, behauptet Billie. Sie wedelt Alexandras Aufbegehren mit einer unwirschen Handbewegung beiseite. »Auch, wenn er dabei sehr hübsch aussah, Alex.«
    Mit dem Zeigefinger klopft sie auf die Tischplatte. »Ein Beziehungskrüppel und lausiger Teilzeitvater.«
    Alexandra nickt und verteidigt Daniel gleichzeitig. »Aber er hat Mia geliebt.«
    Billie zuckt mit den Achseln.
    »Na und? Das tun die meisten Väter. Aber unter Beweis stellen es die wenigsten. Außerdem ist völlig ungewiss, ob diese Liebe zwischen den beiden die Pubertät überlebt hätte.«
    »Mia ist doch noch nicht in der Pubertät!«
    Billie widerspricht: »Doch, meine Liebe, es geht langsam los, mir ist nämlich in der letzten Woche aufgefallen, dass das Kind bereits zweisilbig wird.«
    »Zweisilbig?«
    Billie grinst. »Alex, du weißt schon.« Sie ahmt den nöligen Mädchenton von Mia täuschend echt nach. »Ja-ha! Nei-hein! Glei-heich!«
    Triumphierend blickt sie sich um. »Wenn sie in die Pubertät kommen, werden sie zweisilbig. Da gibt’s kein klares Ja oder Nein mehr.«
    Ich nicke verblüfft. Diese Beobachtung habe ich auch schon gemacht.
    Alexandra starrt Billie überrascht an. »Du hast recht. Sogar die Widerworte sind zweisilbig. Do-hoch!«
    Und dann lachen wir alle drei. Es ist ein vorsichtiges Lachen. Eines, das sich noch ungewohnt anhört. Aber es ist ein Lachen. Und schon sind wir einander nicht mehr so fremd.
    Alexandra stützt den Kopf in ihre Hand. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mich nach den schlaflosen Nächten zurücksehnen würde, als Mia vier war. Sicher, es war anstrengend, aber im Rückblick nicht halb so anstrengend, wie wenn ich heute ihren genervten Blick aushalten muss. Wenn ich mir vorstelle, dass das noch sechs Jahre so weitergeht.«
    »Mindestens« Ich ziehe eine Grimasse. »Ich erinnere mich an einen dunklen Novembertag, als Benny anderthalb war. Ich hatte mir den Hochstuhl vorgenommen und versuchte, ihn von angetrockneten Bananenbrei-Resten zu säubern. Während es draußen dunkel wurde, schrubbte ich zunehmend schlechter gelaunt daran herum. Sollte so mein Leben bis ans Ende meiner Tage aussehen? Hatte ich dafür eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht?«
    Billie

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