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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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einem guten Menschen berichten? Oder von einem unzufriedenen? Ich ärgere mich nun, dass ich bei Mamas Beerdigung nicht auf die Worte der Pastorin geachtet habe. Soll ich Nick anrufen und ihn fragen, ob er sich an den Namen der Pastorin erinnert? Vielleicht hat sie ihre Rede im Rechner abgespeichert. Ich würde gern wissen, was sie über Mama gesagt hat. Wieder überlege ich, Nick anzurufen, und wieder entscheide ich mich dagegen.
    Die Wohnung fühlt sich jetzt in der Nacht besonders groß und leer an. Auf dem Tisch im Wohnzimmer liegt das Notenblatt, das mir der Akkordeonist gegeben hat. Ich kann Noten zwar lesen, aber vom Blatt singen kann ich nicht. Doch während ich mit den Fingern auf imaginäre Tasten drücke, folge ich den schwarzen Noten, die auf den Linien Walzer tanzen. HmmHmm … Langsam stolpere ich durch die Melodie. Meine Stimme klingt ungewohnt. Lange schon habe ich nicht mehr gesungen. Aber nach und nach finde ich mich in der Melodie zurecht. Aus meinem Gesumme wird ein Singen. Und dann stehe ich auf, als ob ein großes Orchester hinter mir spielt. Oder eine Big Band. Daniel verbeugt sich vor mir. Er ist barfuß wie ich. Das Parkett verwandelt sich in Sand, meine Jeans in ein Kleid. Wir tanzen und schwingen uns im Takt. Dann wird die Musik leiser, die Musiker verschwinden. Nur noch meine Stimme ist zu hören. Als ich die Augen wieder öffne, tanze ich völlig allein in Daniels Wohnzimmer im Pyjama zu einem Walzer, den nur ich höre. Erst als sich das Zimmer um mich zu drehen beginnt, lasse ich mich aufs Sofa fallen.
    Es ist still geworden vor den Fenstern, vielleicht ist die letzte U-Bahn bereits vorbeigefahren. Ich hole meine neuen Laufschuhe aus dem Karton, ziehe sie aber nicht an, sondern sitze im Licht der Straßenlaternen da und betrachte sie nur.
    Nach einer langen Weile stelle ich die Schuhe wieder auf den Boden. Ich nehme den Block vom Tisch und schreibe.
    Die erste Grabrede:
     
    Daniel,
    da stehen wir nun alle an deinem Grab. Deine Freunde und Freundinnen, deine Tochter, deine Frauen – und ich! Warum ich? Ich weiß es nicht. Was mutest du mir da zu? Ich gehöre nicht hierher, gehöre nicht in dein Leben. Ich bin eine Marionette, die du an unsichtbaren Fäden hierher gezogen hast. Nicht, dass ich dir das vorwerfe, ich hätte ja auch zu Hause bleiben können. Aber mich interessiert, aus welchem Grund du nach mir gerufen hast. Um sentimental an eine Episode aus deiner Jugendzeit anzuknüpfen? Aus einer Laune heraus? Oder, um mir zu zeigen, was du aus deinem Leben gemacht hast?
    Was du alles vorweisen kannst, Daniel! Kind, Ex-Frau, Freiheit – und offensichtlich auch jede Menge Groupies mit langen Beinen und blonden Haaren, die du abweisen konntest, wenn es dir zu viel wurde.
    Zu alldem gratuliere ich dir von ganzem Herzen: Du hattest Erfolg im Leben. Es gibt jede Menge Statussymbole, die mir in deinem Namen zurufen: »Seht her, wie gut ich das alles gemacht habe!« Du hättest sicher gern noch eine Weile gelebt und deine schönen Anzüge getragen. Hättest gern noch länger in deiner Galerie gearbeitet. Du hättest Francesca gern weiter ab und zu ausgeführt und dadurch gezeigt, was für ein toller Hecht du immer noch bist. Und Mia? Ich weigere mich, mir vorzustellen, dass der Junge von damals einer dieser Väter geworden ist, die sich vor ihren Pflichten drücken – und damit meine ich nicht eine finanzielle Unterstützung, sondern dass du sie als Tochter vernachlässigt hast. Frei nach dem Motto: Ich möchte, dass es dir gutgeht – aber ich muss nicht dabei sein.
    Wieso spricht Hubertus mit unverhohlener Liebe von dir, wenn Alexandra kaum ein Wort ohne Tränen über dich hervorbringt und Theo gleichzeitig in dir einen eingebildeten Karrieristen sieht? Und ausgerechnet ich soll nun hier von dir sprechen. Vor all deinen überraschten und misstrauischen Freunden, die nur zu gern herausfinden wollen, was uns verbindet.
    Soll ich denen erzählen, wie wir damals in den Garten eingestiegen sind und im Pool gebadet haben? Soll ich dem leuchtenden Image des strahlenden Siegers noch einige Facetten jugendlicher Schönheit verleihen? Sozusagen als Goldstaub auf einem schon perfekten Sonnenuntergang?
    Was willst du von mir hören? Wolltest du dem Mädchen vom Land, das dich coolen Surfer der Großstadt grenzenlos bewunderte, noch einmal einen Auftritt als Provinzprinzessin verschaffen und deine Freunde amüsieren? Du wärst enttäuscht: Meine Tracht hängt eingemottet auf dem Dachboden. Dabei

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