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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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verneinte. »Die versteht das.«
    Wenig später standen sie vor dem dreistöckigen Jenisch Haus mit seiner weißen Säulenfront und den vergoldeten Balkongittern. Eva gefiel das Gebäude. Sie stellte sich vor, wie hier früher Menschen in altmodischen Kleidern gelebt hatten.
    »Drinnen sieht es noch so aus wie im neunzehnten Jahrhundert. Jede Menge alte Möbel, goldene Spiegel und Wandteppiche«, sagte Daniel. »Sie machen hier Ausstellungen mit alter Kunst, und es gibt Veranstaltungen. Hier habe ich mit meinen Eltern mal ein Kammerkonzert gehört.« Er benutzte wieder erwachsene Worte. »Ein Streichquintett von Mozart.« Seine Stimme war weich, er schien sich gern daran zu erinnern. Auf diese Weise klang seine Erzählung überhaupt nicht so langweilig, wie Eva sich solche Konzerte vorstellte. Im Gegenteil. Vor ihrem inneren Auge sah sie Daniel über den Rasen gehen. Sie ging neben ihm, vielleicht in Mamas hellgrünem Abendkleid und mit hochgestecktem Haar. Sie würden Sekt trinken und dann auf dem glänzenden Parkett im Musiksalon dieses schönen Hauses Mozart hören. Und sie wären nicht spießig und altmodisch wie die Leute aus dem Dorf, die ein Abonnement für die Hamburger Oper hatten und einmal im Monat hierherfuhren. Sondern sie wären jung und modern und aufregend.
    Daniel ging weiter und Eva folgte ihm. Weiß leuchtete ein flaches Gebäude durch das Baumgrün. »Das ist das Barlach Haus«, erklärte Daniel. »Schade, es ist zu spät – die machen schon bald zu.«
    »Wer ist die?«
    »Drinnen ist ein Museum«, erzählte Daniel. »Mit Skulpturen von Barlach.« Er ging um das Haus herum. »Irre, oder?«, sagte er begeistert. »Ich finde die Architektur der sechziger Jahre super. Ich meine, ein Haus als Kubus zu planen, das ist doch eine phantastische Idee. Unaufdringlich. Perfekt.«
    Mittlerweile hatte sich Eva an seine Wortwahl und Sprechweise gewöhnt. Daniel war kein Streber. Er interessierte sich eben für Architektur und Kunst. Sie betrachtete das weiße Gebäude. Ihr persönlich hatte das prunkvolle Jenisch Haus besser gefallen, weil es auf sie romantischer wirkte. Dennoch konnte sie verstehen, dass Daniel der schlichte Stil dieses Hauses begeisterte.
    Daniel machte eine Bewegung, als gehöre ihm das Gebäude. »Klassische Moderne!« Wieder klang er so leidenschaftlich, als würde er vom Gewinn seiner Fußballmannschaft oder von seinem Motorrad erzählen. »Stell dir mal vor, du bist Maler, und am Ende bauen sie dir ein eigenes Museum! Mitten in einen schönen Park mit einer Aussicht wie dieser.«
    Eva hatte noch nie so viel über Kunst nachgedacht wie in den letzten zwei Stunden. Sie kannte niemanden, der sich für Kunst interessierte. Kunst war ein Schulfach, in dem man malte und bastelte. Den Rest fasste Eva unter langweiligen Museumsbesuchen mit der Konfirmandengruppe zusammen. Es gab bei ihr zu Hause nur ein Buch, das sich mit Kunst beschäftigte: ein Bildband mit intensiv farbigen Gemälden von einem amerikanischen Maler namens Hopper. Sie zeigten traurige Menschen, die selbst dann einsam aussahen, wenn sie zu zweit abgebildet waren.
    Eva sah Daniel neugierig an. »Willst du Maler werden?«
    Doch bevor er antworten konnte, kam eine Familie mit zwei kleinen Kindern um die Ecke. Die Jungen waren etwa fünf und sieben und hatten überhaupt keine Lust, sich mit ihren Eltern das Haus anzusehen.
    »Ich will ein Eis«, quengelte der jüngere, während sein großer Bruder ihn damit ärgerte, dass er ihm immer wieder das Hemd von hinten über den Kopf zog.
    Die Eltern, ein Paar in den Dreißigern mit T-Shirts und Jeans im Partnerlook, versuchten ohne Erfolg, die Jungen auseinanderzubringen. Sie gerieten stattdessen in einen Streit darüber, wer von ihnen die Schuld daran trüge, dass sie die Öffnungszeit des Museums verpasst hatten.
    Daniel zog Eva mit sich. »Komm, wir verdrücken uns.«
    Sie verließen den Park am nördlichsten Zipfel und liefen durch Straßen mit gepflegten, großzügigen Einfamilienhäusern.
    Unter einer Straßenlaterne saß eine schwarz-weiße Katze. Sie war entweder sehr klein oder noch jung. Eva beugte sich zu ihr hinunter und genoss, wie das Tier sich ihrer Berührung entgegenstemmte und ihr dann um die Beine strich. »Oh, guck mal, wie niedlich die ist!«
    Auch Daniel hockte sich zu dem Tier und streichelte es. Dabei berührten sich ihre Hände. Evas Herz klopfte wie verrückt, sie streifte Daniel mit einem schnellen Blick. Aber er sah sie nicht an. Die Katze wand sich unter

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