Erdbeerkönigin
Schließlich sagte sie: »Ich bin Erdbeerköngin.«
Daniel sah sie verblüfft an. »Erdbeerkönigin?«
Eva lachte über sein überraschtes Gesicht und spritzte spielerisch ein Paar Tropfen in seine Richtung.
»Ich vertrete die Erdbeerbauern unserer Region, gehe zu Landfesten, tanze mit dem Bürgermeister, verleihe Preise. Meine Mutter wollte gern, dass ich mich bewerbe, und ich bin dann gewählt worden. Wie bei einer Misswahl.« Dieser Satz war ihr peinlich, aber sie sagte ihn trotzdem.
Daniel sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Bedeutet dir das etwas? Ich meine, bist du gern Erdbeerkönigin?«
Sie zuckte die Achseln. Sollte sie ihm erzählen, wie furchtbar sie die Idee ihrer Mutter anfangs gefunden hatte? Denn sie wollte doch unter keinen Umständen auffallen. Doch am Ende war sie sehr stolz. Ob Erdbeerkönigin oder Petersilienprinzessin – sie hatte sich durchgesetzt. Sie hatte sich als die Beste profiliert, einen Titel gewonnen, sie trug ein Diadem und war nicht mehr die brave, langweilige Eva.
Sie entschied sich für die halbe Wahrheit. »Es ist ganz nett. Man lernt interessante Leute kennen, kommt herum, wird eingeladen.« Sie verstummte.
Daniel warf die nassen Haare nach hinten und lächelte sie an.
Ihre Gesichter waren einander sehr nahe. Und dann spürte Eva seine Lippen auf ihren. Es war ein zärtlicher Kuss, fast zufällig, ein Kinderkuss. Doch Daniel zog seinen Kopf nicht zurück, sondern ließ seine Lippen kühl und feucht auf ihren verweilen. Wie der Prinz, der die kleine Meerjungfrau küsst. Sie spürte eine Hand an ihrem Hinterkopf, die andere auf ihrem Rücken. »Ich wollte immer schon mal eine Königin küssen«, murmelte Daniel, und für einen Moment fühlte sich Eva tatsächlich wie eine Königin. Edel, stolz, majestätisch. Er zog sie mit einem kleinen Seufzer enger an sich, ihre Lippen öffneten sich, und sie küssten einander, köstlich und innig.
»Was soll das denn? Wer sind Sie? Und was machen Sie in unserem Garten? Und in unserem Pool?« Eine laute Stimme unterbrach die Stille. Eva und Daniel fuhren auseinander. Während ein aufgeregt mit den Händen fuchtelnder Mann in dunklem Anzug die Treppe in den Garten herunterkam, stemmte sich Daniel am Beckenrand hoch und zog dann auch Eva aus dem Pool. Wie einstudiert griffen beide nach ihren Kleidern und sprinteten um die Hausecke über die Einfahrt auf die Straße. Die war fast menschenleer, so dass ihr Anblick für kein weiteres Aufsehen sorgte. Nur ein junges Mädchen fuhr auf dem Fahrrad die Straße entlang und wäre beinahe vom Sattel gefallen, als Eva und Daniel aus der Einfahrt stürzten. Sie rannten bis zur nächsten Ecke, wo sie sich hinter ein Auto duckten und sich in rasender Geschwindigkeit anzogen – was nicht besonders leicht war, weil sich die Kleidung auf der nassen Haut rollte. Sie halfen einander, lachend und außer Atem. Eva knöpfte Daniels Hemd zu. Er streifte ihr die Bluse über den Kopf und hängte ihr die Schultertasche um.
»Gut, dass wir die Handtücher nicht mitgenommen haben«, sagte Eva. »Das wäre Diebstahl gewesen.«
Sie waren gerade fertig angezogen, als ein Polizeiwagen in die Straße einbog. Daniel fuhr sich durch die feuchten Haare. »Jetzt müssen wir es hinter uns bringen«, sagte er. Er ging direkt auf den Wagen zu und hob die Hand.
Eva verstand die Welt nicht mehr. Wozu waren sie denn geflohen, wenn sich Daniel jetzt der Polizei stellte? Einen Moment lang wollte sie nur weglaufen. Aber wohin? Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand und wie sie von hier zu dem Restaurant zurückfinden sollte. Mit dem Geld, das sie noch in der Tasche hatte, würde sie vielleicht nach Hause fahren können, aber wie weit war es überhaupt zum Hauptbahnhof? Das alles schoss ihr durch den Kopf, während sie Daniel folgte und auch auf den Polizeiwagen zuging.
Der Polizist am Steuer hielt an und streckte seinen Kopf durch das offene Fenster. »Was gibt’s denn?«
Daniel straffte seinen Körper und zog sich das weiße Hemd gerade. »Uns sind gerade zwei nackte Leute entgegengekommen«, sagte er mit dem Ton rechtschaffener Entrüstung. Er wirkte genauso, wie man sich einen netten jungen Mann aus guter Kinderstube und wohlhabender Familie vorstellt.
»Die suchen wir gerade«, gab der Polizist zurück. »Da haben zwei unerlaubt in einem Swimmingpool am Marxsenweg gebadet. Der Eigentümer kam nach Hause und hat sie erwischt.«
Daniel nickte Eva zu. »Das müssen sie gewesen sein, Schatz.« Er wandte
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