Erdbeerkönigin
ihren Händen fort und machte einige kleine Sprünge über den Bürgersteig. Dann drehte sie sich um und maunzte. Eva folgte ihr und streichelte sie erneut. Die Katze schmiegte sich an ihre Beine.
Daniel beobachtete sie. »In einem Film würde man jetzt sagen: Sie will uns etwas zeigen.«
Die Katze saß jetzt in einer Einfahrt. Eva richtete sich auf, drehte sich um und sagte: »Genau! Und dann würden wir hier hinter diesem Haus« – sie wies auf eine graue Villa mit rotem Schindeldach – »eine Leiche finden.«
Daniel nickte begeistert. »Leider hatte sich das Seidentuch der alten Dame im Rasenmäher verfangen.«
Sie starrten einander an und schauten dann gleichzeitig auf die Katze, die jetzt tatsächlich an der Hausecke saß und wieder auffordernd maunzte. Die Fenster in der Villa waren geschlossen. Das ganze Anwesen macht den Eindruck, als sei niemand da.
»Und wenn das nun stimmt?«, fragte Daniel.
Die Katze spazierte in den Garten. Eva zog die Augenbrauen hoch. An diesem Tag schien alles möglich. »Dann sollten wir unbedingt nachsehen.«
Sie lief der Katze nach. Doch als sie um die Ecke in den Garten bog, fand sie nicht etwa eine Leiche. Vor ihr lag, strahlend wie blaues Feuer, ein Swimmingpool. Sie hörte Daniel hinter sich und sah sich nach der Katze um, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Es herrschte eine Stille in dem Garten, die Eva an die Ruhe in der Nacht erinnerte, bevor die ersten Vögel singen. Oder die Ruhe, die der erste Schnee mit sich bringt. Der Swimmingpool war nicht besonders groß, etwa fünf mal sieben Meter. Aber er wirkte gepflegt, einige weiße Plastikliegen standen um ihn herum, und am Ende des Bassins war ein kleines Gartenhäuschen zu sehen.
Sie beugte sich nach vorn und schlüpfte aus den Schuhen. Während sie ihre Zehen in dem noch nassen Gras bewegte, sagte sie: »Es sieht so aus, als ob ich heute überhaupt keine Schuhe brauche.« Dann hockte sie sich an den Rand des Pools, krempelte ihre Hose hoch und steckte die Füße ins Wasser.
Daniel schlenderte zum Gartenhaus hinüber. Er sah sich um und öffnete dann die Tür. Er winkte Eva zu sich. »Guck mal!« Statt der erwarteten Rasenmäher, Harken und alten Gartenspielzeug war das Häuschen mit einem kleinen Tisch und einer Eckbank sowie einigen Schränken sehr wohnlich eingerichtet. Hier konnte man bei Regen gemütlich sitzen und dennoch den Garten genießen. Daniel öffnete eine Schranktür. Darin fand er Handtücher und Badesachen. Er griff nach zwei sauberen Handtüchern und hielt ihr eins hin. »Wollen wir schwimmen?«
Eva sah ihn an. Ihre Augen schimmerten hell. »Meinst du wirklich?« Sie sah sich zum Haus um.
Bewegungslos standen sie einige Sekunden nebeneinander. Dann ließ Daniel ohne Scheu seine Jeans fallen. Er zog sein Hemd aus und stand in einer knappen blauen Unterhose vor Eva. Sie gab sich Mühe, ihn nicht zu sehr anzustarren. Aber sie sah seine glatte braune Brust, seine schmalen Hüften, die langen Beine. Ihr Hals wurde trocken.
Daniel zwinkerte ihr auffordernd zu. »Okay?«
Eva nickte. Sie zog ihre Hose aus, legte sie ordentlich zusammen und tat dasselbe mit ihrer Bluse. Jetzt stand sie in BH und Slip vor ihm.
Er lachte. »Ach, was soll’s!«, sagte er in demselben Ton, mit dem er an der Bushaltestelle den Tanz begonnen hatte. Und dann streifte er mit einer kurzen Bewegung die Unterhose ab, rannte los und sprang mit einem Juchzer in den Pool. Er tauchte unter, kam dann mit spuckendem Sprudeln wieder hoch und warf sich mit einer Bewegung des Kopfes die Haare aus der Stirn. »Komm, Eva! Das Wasser ist super!«
Eva gab sich einen Ruck. Sie öffnete den BH , ließ den Slip auf ihr Kleiderbündel fallen. Als sie in den Pool sprang, kam sie sich vor wie ein anderer Mensch. Sie war hier, sie war lebendig und glücklich. Das Wasser umschmeichelte ihren nackten Körper wie kühle Seide.
Der Pool war nicht sehr tief. Wenn sie stand, reichte ihr das Wasser bis knapp über die Nase. Daniel schwamm zu ihr. Sie legten sich auf den Rücken, und Eva glaubte zu fliegen. Am Ende des Pools hielten sie sich am Rand fest. Jetzt entstand doch ein Augenblick der Verlegenheit zwischen ihnen. Daniel räusperte sich. Dann fragte er betont beiläufig: »Was machst du denn sonst so? Krankenschwestern haben doch auch mal frei.« Bildete es sich Eva ein, oder zitterte seine Stimme? Sie zögerte einen Moment lang, genauso wie man auf dem Sprungturm vor dem Sprung für einen Augenblick verharrt und sich konzentriert.
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