Erdbeerkönigin
sich wieder an den Polizisten: »Sie müssen sich den Schreck für meine Freundin und mich vorstellen. Wir wollten gerade zum Abendessen zu meinen zukünftigen Schwiegereltern.« Er zeigte auf ein Haus hinter uns.
»Wo sind sie denn hingelaufen?«, erkundigte sich der Polizist.
Daniel wies die Straße hinunter. »Ich denke, sie wollten zur S-Bahn.«
»Nackt?«
Daniel präsentierte sein selbstsicheres Lachen. »Also, wir haben ihnen unsere Kleidung jedenfalls nicht angeboten.«
Der Polizist am Steuer legte den ersten Gang ein. Sein Beifahrer lächelte Daniel und Eva an. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Die beiden Polizisten sahen sich an, als hätte einer der beiden gerade einen Witz erzählt. Dann beugte sich der Beifahrer aus dem Fenster und sagte: »Ach, und wenn Sie das nächste Mal schwimmen gehen, vergessen Sie nicht, sich anschließend die Haare zu föhnen.« Sein Kollege trat aufs Gas.
Eva und Daniel sahen dem Auto nach. »Die Polizei, dein Freund und Helfer!«, rief Daniel mit einem anerkennenden Grinsen.
Lachend kehrten sie in den Park zurück und liefen danach zur Elbe. Die Sonne begann jetzt zu sinken, und die gleißende Helligkeit des Tages verwandelte sich in ein weiches Taubengrau.
Viel später in dieser Nacht saßen sie am Elbstrand. Sie waren lange gelaufen, hatten sich Geschichten aus ihrer Kindheit und Schulzeit erzählt, wobei Eva sorgsam ihre Karriere als »Krachi« verschwieg. Daniel, so viel wusste sie jetzt, hatte wie sie keine Geschwister. Er wollte nicht Steuerberater wie sein Vater werden. Er mochte klassische Musik und Jazz. Eva hatte nicht von ihren Kuschelrockalben erzählt, sondern das Thema Musik vermieden. Er konnte einige Fernsehkomiker sehr gut imitieren, und auch Dialekte lagen ihm. Manchmal lachten sie so sehr, dass sie nicht weiterlaufen konnten.
»Hey, wir sind eine perfekte Kombination«, sagte Daniel, als sie von der Straße auf den Strandweg um Ufer hinuntergingen.
»Wieso?«
»Ich kaspere herum, und du lachst dich tot.«
In einer provisorisch wirkenden Kneipe, die Eva an die Offenställe auf den Feldern zu Hause erinnerte, die aber den poetischen Namen
Strandperle
trug, legten sie ihr Geld zusammen. Sie setzten sich in den Sand, aßen Pommes und Würstchen und tranken Bier aus der Flasche. Von der zweiten Flasche Bier fühlte sich Eva ein bisschen schwindelig. Daniel griff in die Gesäßtasche seiner Jeans, holte ein kleines Notizbuch heraus und zog aus einer der vorderen Hosentaschen einen kleinen Bleistift.
»Bleib mal so sitzen. Ich hab da was gesehen …«
Eva sah ihn erstaunt an. »Willst du mich malen?« Aber Daniel antwortete nicht, sondern zeichnete so hochkonzentriert, dass Eva kaum zu atmen wagte. Ab und zu blickte er hoch und streifte sie mit einem Blick, der Eva an den eines Sportlers erinnerte. Als ob er abschätzte, wie weit er springen müsse, um ein Hindernis zu überwinden. Endlich ließ er den Stift sinken. »Fertig.« Er hielt ihr das Heft hin. »Bitte.«
»Das bin ja ich«, entfuhr es Eva. Sie war erstaunt über die Ähnlichkeit. Die Zeichnungen, die Klassenkameraden im Kunstunterricht oder zum Zeitvertreib von ihr gemacht hatten, waren damit nicht zu vergleichen. Daniel
konnte
zeichnen. Es war ihm gelungen, mit wenigen Strichen ein Bild von ihr zu entwerfen. Die Zeichnung zeigt Eva im Halbprofil, die Haare waren vom Wind zerzaust, hinter ihr floss der große Strom.
Daniel freute sich über ihre Bewunderung und lächelte. »Noch ein Bier?«
Als die Kneipe schloss, blieben sie trotzdem wie verzaubert sitzen. Es wurde kühl, aber sie wollten nicht gehen. Eva kramte in ihrer Tasche und förderte ein Tuch und eine leichte Strickjacke zutage. Daniel legte die Strickjacke um seine und ihre Schultern und breitete das Tuch über beide Beine.
Sie lehnte ihren Kopf leicht an seine Schulter, woraufhin er seinen Arm um sie legte und sie freundschaftlich an sich zog.
»Bist du müde?«
Eva zuckte mit den Schultern. »Ein bisschen.«
Dann fiel ihr die Frage ein, die sie vorhin am Barlach Haus schon einmal gestellt hatte. »Willst du Maler werden?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du im Park so begeistert erzählt hast. Du hast gesagt: ›Stell dir vor, du bist Maler und die bauen ein Haus allein für deine Kunstwerke.‹«
»Das habe ich gesagt?«
»Vielleicht nicht im Wortlaut.« Sie schloss die Augen und genoss das Gefühl des Sandes unter ihren nackten Füßen. »Also, willst du Maler werden?«
Daniel zögerte Moment lang. Dann
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