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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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zurück durch die Dunkelheit.
     
    In Daniels Wohnung werfe ich mich aufs Sofa und wähle Nicks Nummer. Und schon beim ersten Klang seiner Stimme weiß ich, dass es richtig war, den ersten Schritt zu tun. Denn Nick ruft, als ich mich melde, nur ein Wort. »Eva!« Und dann ist alles einfach.
    Nick sagt: »Eva, du fehlst mir so sehr!« Und ich antworte bloß: »Du fehlst mir auch.«
    »Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich mit diesen Worten machst.«
    Wir sind beide verlegen. Auf eine glückliche Weise verlegen. Schon lange haben wir nicht mehr so miteinander gesprochen. Es fühlt sich ein bisschen wie frisch verliebt an. Diese Mischung aus schüchterner Gehemmtheit und Hochgefühl.
    Schließlich sage ich: »Nick, wegen des Erdbeerbeetes …« Aber er lässt mich nicht ausreden. »Du brauchst dich nicht für das Erdbeerbeet zu rechtfertigen.«
    »Aber ich dachte …«
    »Weißt du«, sagt Nick leise, »ich habe heute Morgen auf das Beet geschaut. Ich stand mit meinem Kaffee allein in der Küche am Fenster. Und da ist mir etwas klargeworden.« Er räuspert sich. »Ich weiß nicht, ob ich die passenden Worte finde. Aber ich versuch es.« Er macht eine kurze Pause.
    »Ich sah also auf dieses runde Beet. Und mit einem Mal dachte ich, dass dir unser Leben vielleicht zu eckig geworden ist.«
    »Zu eckig?«
    Nick seufzt. »Ja, alles ist so vorgezeichnet. Jeder Tag, selbst die Wochenenden. Wie Bauklötze, die man aufeinanderstapelt. Und mit deinem kleinen Erdbeerkreis hast du gegen das Eckige revoltiert.«
    »Aber mir gefällt doch unser Leben!«
    »Hm.«
    Er hat ja recht. »Also meistens.«
    »Ja, und in den Momenten, wo das nicht so ist, sehnst du dich nach runden Beeten mit Erdbeeren.«
    Und so fangen wir zum ersten Mal seit vielen Monaten an, wieder offen miteinander zu sprechen und einander zuzuhören. Aufmerksam und voller Liebe.
    »Wie geht es denn Benny?«, frage ich schließlich.
    »Ich denke, gut. Aber seinen Seelenzustand diskutiert er lieber nicht mit einem alten Spießer wie seinem Vater.«
    Mein Herz zieht sich voller Zärtlichkeit zusammen. Ich möchte ihn trösten. »Weißt du noch, wie Benny seine ersten Schritte machte – und leider nicht verstanden hat, dass nach der Tür eine Treppe kam?«
    Nick lacht auf. »Meine Güte, er hatte überall blaue Flecken! Aber ich war mächtig stolz auf ihn, weil er trotz seiner vielen Stürze immer weitermachte.«
    »Du warst ein toller Vater. Und das bist du immer noch – wenn er dich lassen würde.«
    »Ich denke, wir haben beide keinen schlechten Job gemacht. Die Pubertät ist einfach ein Killer.«
    Jetzt lachen wir beide. Und wir können gar nicht mehr aufhören zu reden. »Weißt du noch …« wechselt sich ab mit »Wir wollten doch immer mal …« Wir schmieden Pläne für Reisen – ohne Benny! Nick erinnert mich daran, dass wir schon lange einen Tanzkurs machen wollten. Und mir fällt ein, dass Nick vom Tauchen im Roten Meer träumte.
    Vor meinem Fenster wird der Himmel schon langsam hell, als Nick fragt: »Liebste, weißt du überhaupt, wie spät es ist?«
    »Nein, wie spät?«
    »Warte mal.«
    Aus den Geräuschen schließe ich, dass er aufsteht. Und dann erkenne ich das bekannte Quietschen der Terrassentür.
    »Eva?«
    Erst kann ich das Sirren im Hörer nicht einordnen. Aber dann höre ich es deutlich: Die Vögel in unserem Garten sind schon wach. Ein neuer Tag beginnt. Ein neuer Tag mit Nick.
     
    Die zweite Grabrede
     
    Liebe Alexandra, liebe Mia, lieber Hubertus, …
     
    Nein, das geht nicht. Wenn ich Mia, Hubertus und Alexandra erwähne, fühlen sich Filou und vor allem Francesca zurückgesetzt. Also noch einmal:
    Liebe Freunde von Daniel, …
     
    Ja, das ist besser. Und dann sollte ich Mia als einzige Tochter erwähnen.
     
    Liebe Mia, liebe Freunde von Daniel,
    mein Name ist Eva Brandt. Einige von euch haben mich in den letzten Tagen kennengelernt. Für alle anderen möchte ich erklären: Daniel hat sich gewünscht, dass ich an seinem Grab spreche. Warum das so ist, weiß ich selbst nicht. Daniel und ich trafen uns vor mehr als zwanzig Jahren auf einer Familienfeier. Gemeinsam sind wir von dort fortgelaufen, als es uns zu langweilig wurde. Wir sind durch die Nacht gestromert, haben am Elbstrand Bier getrunken und uns unsere Zukunftspläne erzählt. Am Morgen haben wir am Hauptbahnhof gefrühstückt, dann bin ich in den Zug gestiegen. Danach haben wir uns nicht wiedergesehen.
     
    Das sollte Francesca beruhigen.
     
    Doch Daniel hat unser

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