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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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verzieht sein Gesicht erst beleidigt, legt dann aber noch einmal sein schalkhaftes Lächeln auf und säuselt: »Eva, nun sei doch nicht so stur! Was ist schon ein Kuss? Das würde doch dein Mann gar nicht merken!«
    Er klingt wie ein kleiner Junge, der seine Eltern überreden will, ihm ein Eis zu kaufen.
    Ich muss fast lachen. »Es geht nicht darum, was mein Mann merkt oder nicht. Es geht darum, was ich möchte und was nicht. Ich möchte meinen Mann nicht betrügen.«
    Und dann sage ich den entscheidenden Satz: »Ich liebe meinen Mann.«
    Filou sieht mich ehrlich verblüfft an, und ich erkenne, dass er mit dieser Antwort nicht gerechnet hat. Seine Augen flackern unruhig, und für einen Augenblick ist er tatsächlich um Worte verlegen. Er nickt langsam und murmelt: »Ah, so, na dann. Ach, Eva, warum nimmst du nur alles so ernst?«
    Als ich nicht antworte, tätschelt er mir beiläufig über den Arm. »Es ist gut, dass wir das geklärt haben«, lässt er sich dann nach einigen Sekunden hören. Er setzt seine Sonnenbrille wieder auf. »Weißt du, Eva, ich sage es lieber gleich. Ich kenne das Leben und ich kenne die Frauen. Und mit dir und mir, chérie, wäre es nicht gutgegangen. Ich bin ein Casanova, ich bekenne mich schuldig.« Jetzt sehe ich ihn fassungslos an. Er redet so, als ob
ich
mich ihm an den Hals geworfen und er mich abgewiesen hätte. Filou steht auf und lächelt noch einmal bedauernd. »Eva, du musst jetzt tapfer sein.« Er sieht erst auf seine Uhr, dann mir bedeutungsvoll ins Gesicht. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich einen Termin vergessen habe.« Ohne eine Antwort von mir abzuwarten, steigt er auf sein Fahrrad und winkt mir zu. »Man sieht sich! Adieu!« Er wirft mir noch eine Kusshand zu und tritt in die Pedale.
    Ich bleibe auf der Bank in der Sonne sitzen, hin- und hergerissen zwischen Kopfschütteln und Lachkrampf. Filou hat es versucht. Es hat nicht geklappt.
    Als die Sonne schon tief steht und die meisten Spaziergänger verschwunden sind, schiebe ich mein Fahrrad weiter. Und dann bleibe ich abrupt stehen. Denn vor mir liegt … das Elbcafé »Strandperle«, in dem Daniel und ich damals unser Bier kauften. Es sieht noch fast genauso aus wie damals, nur gibt es inzwischen ein paar Stühle mehr. Wie damals kaufe ich mir eine Flasche Bier. Aufgeregtheit erfasst mich, mir wird warm. Und dann geschieht es. Meine Erinnerungen verschmelzen mit dem, was vor meinen Augen liegt. An einer Stelle, an der ein Weg Richtung Ufer abzweigt, verlasse ich die Spaziertrasse und gehe über das Gras, das bis zum Wasser hinunterwächst. Das Gebäude drüben auf der anderen Seite, die Bäume, die dort am Strand stehen … Hier ist die Stelle, an der Daniel und ich damals gesessen haben. Ich lasse mein Fahrrad fallen und gehe weiter bis zum Strand. Dort ziehe ich meine Schuhe aus und setze mich. In den Sand. Ich nehme einen Schluck aus der Flasche und blicke über die Elbe.
    Doch ich sehe nicht den Fluss, wie er jetzt im Licht des Abendrots glüht. Für mich ist das Wasser schwarz und der Himmel nicht flammend orange, sondern dunkel wie das satte Grau, das dem Morgenlicht vorangeht. Es ist wieder kurz vor Tagesanbruch, und Daniel sitzt neben mir. Ich bin die Eva, die an diesem Tag von einer Familienfeier geflohen ist, ohne sich umzudrehen. Die in einen fremden Garten eingedrungen ist und dort im Pool gebadet hat. Diese Eva hat den Jungen neben sich geküsst. Gleichzeitig steckt in dieser Eva auch die Frau, die sich in Nick verliebt und Benny geboren hat. Und deren Lippen heute noch diesen einen Kuss spüren, wenn sie die Augen schließt.
    Ich betrachte den Jungen, der neben mir sitzt und sein Bier trinkt. Wenn ich jetzt die Chance hätte, ihn wie eine Fee einen Blick in die Zukunft werfen zu lassen, was würde ich ihm zeigen? Den Tag der Ablehnung an der Kunsthochschule? Den Moment, als sich Alexandra von ihm trennte? Seine Krebsdiagnose? Mir klopft das Herz bis zum Hals. In meinem Kopf wird es leicht und luftig. Ich schließe die Augen und habe das Gefühl zu fliegen. Ich empfinde wieder dieses innere Schweben, das Daniel damals in mir ausgelöst hat und das ich niemals vergessen habe. Dieses Gefühl, das aus Lebenslust, Mut und Herzklopfen besteht und das von mir in jenen geheimen Garten eingeschlossen worden ist.
    Die Sonne ist fast nicht mehr zu sehen, es wird dunkel. Ich fröstle im Sand. Meine Bierflasche ist leer. Ich sehe mich um. Daniel ist fort. Ich bin allein.
    Langsam steige ich auf das Fahrrad und fahre

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