Erdbeermond: Roman (German Edition)
hatte Gaz verboten, die Gäste mit Akupunktur zu behandeln, und er hatte versprochen, nur bei einem Notfall aktiv zu werden. Doch obwohl er sich alle Mühe gab, Notfälle heraufzubeschwören, hatte es keine gegeben.
»Nun los, gehen Sie schon, Sie mit Ihren Nadeln! Und lassen Sie die Leute in Ruhe. Gleich wird getanzt.«
»Okay, Mammy Walsh.« Gaz schlenderte ziellos davon, in der Hand die Tasche mit den Instrumenten, und wäre fast über eine Horde kleiner Mädchen gestolpert, die vom Kindertisch freigelassen worden waren.
Francesca kam zu mir. »Tante Anna, ich tanze mit dir, weil dein Mann gestorben ist und du jetzt keinen hast, der mit dir tanzt.« Sie nahm meine Hand. »Und Kate tanzt mit Jacqui, weil sie ein Baby bekommt und keinen Freund hat.«
»Oh, das ist aber lieb.«
»Wartet«, sagte Mum. »Ich will auch das Tanzbein schwingen.«
»Sag das nicht!«, sagte Helen und schüttelte sich. »Du klingst wie Tony Blair.«
»Dad?«, fragte ich. »Kommst du auch?«
Er schüttelte leicht den Kopf, sein Gesicht war so weiß wie die Tischdecke.
»Vielleicht sollten wir einen Arzt holen«, sagte ich leise. »Eine Lebensmittelvergiftung kann gefährlich sein.«
»Es ist keine Vergiftung. Es sind nur die Nerven. Kommt, jetzt wird getanzt.«
Wir gesellten uns zu Jacqui und Kate und hielten uns an den Händen. Helen kam auch dazu, dann Claire, dann Maggie und die kleine Holly, schließlich Rachel. Wir waren ein Mädchenkreis, unsere Partykleider schwangen im Rhythmus, wir waren glücklich und schön, wir lachten und tanzten. Jemand reichte mir die kleine Holly, und ich drehte mich mit ihr im Kreis, und meine Schwestern drehten sich im Kreis um mich. Und als ich mich drehte und an ihren strahlenden Gesichtern vorbeischwebte, wurde mir etwas bewusst, das ich vergessen hatte: Aidan war nicht der einzige Mensch, den ich liebte, ich liebte auch andere Menschen. Ich liebte meine Schwestern, ich liebte meine Mutter, ich liebte meinen Vater, ich liebte meine Nichten, ich liebte meine Neffen, ich liebte Jacqui. Und in dem Moment liebte ich alle Menschen.
Später wechselte die Musik abrupt von Kylie zu Led Zeppelin, und die Echten Männer donnerten auf die Tanzfläche. Es waren sehr viele, und alle ihre Mähnen flogen herum, und überall wurde mit Inbrunst Luftgitarre gespielt. Schließlich bildete sich ein Kreis um Shake – sie machten dem Meister gebührend Platz für eine Vorführung –, und Shake spielte und spielte, er ging in die Knie und beugte sich nach hinten, bis sein Kopf fast den Boden berührte, sein Gesicht drückte Ekstase aus, während seine Finger auf seinem Hosenschlitz spielten.
»Es sieht doch also aus, als ob er an sich … rum … fummelt«, murmelte Mum.
»Hmmm?«
»Als ob er mit sich spielt. Du weißt schon.«
»Was du immer denkst«, sagte Helen. »Du bist schlimmer als wir alle zusammen.«
FÜNFZEHN
»Neris Hemming.«
»Hallo, hier ist Anna Walsh. Ich rufe wegen meines Gesprächs an.« Ich war neugierig. Neugierig, aber ohne Hoffnung.
Meinetwegen, mit ein bisschen Hoffnung.
Schweigen in der Leitung. War sie im Begriff, mich erneut abzuwimmeln? Wieder die Handwerker?
Dann sprach sie. »Anna, ich bekomme … ich empfange … ja, hier ist ein Mann. Ein junger Mann. Jemand, der frühzeitig abberufen wurde.«
Na, volle Punktzahl, weil sie nicht versuchte, mich mit meinen toten Großeltern abzuspeisen, aber als ich meinen Termin vereinbarte, hatte ich der Frau im Büro gesagt, dass mein Mann gestorben war. Es war durchaus möglich, dass sie die Information an Neris weitergegeben hatte.
»Sie haben ihn sehr geliebt, stimmt’s, meine Gute?«
Warum sollte ich sonst Kontakt mit ihm aufnehmen wollen? Trotzdem stiegen mir die Tränen in die Augen.
»Stimmt das?«, wiederholte sie, als ich nichts sagte.
»Ja.« Ich schämte mich zu weinen, wo ich doch so schamlos manipuliert wurde.
»Er sagt, dass er Sie sehr geliebt hat.«
»Okay.«
»Es war Ihr Mann, richtig?«
»Ja.« Ich hätte es ihnen nicht sagen sollen.
»Und die Todesursache war eine … Krankheit?«
»Ein Unfall.«
»Ja, ein Unfall, bei dem er sehr krank wurde, und daran ist er gestorben.« Sie sagte das entschieden.
»Woher weiß ich, dass er es wirklich ist?«
»Weil er es sagt.«
»Ja, aber …«
»Er erinnert sich an einen Urlaub, den Sie am Meer verbracht haben.«
Ich dachte an die Zeit in Mexiko. Aber gab es Frauen, die mit ihrem Ehemann keinen Urlaub am Meer gemacht hatten? Und wenn es nur in einem Wohnwagen in
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