Erdbeermond: Roman (German Edition)
hochbegabte Kinder machte.
Sie war als Praktikantin eingestellt worden, die die Kartons tragen und die Proben für die Zeitschriften eintüten sollte, aber sie musste ständig früher gehen, oder sie kam spät, weil sie zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung gehen musste oder mit dem Vorsitzenden des Guggenheim Museums zum Essen verabredet war oder mit David Hart im Helikopter in die Hamptons geflogen wurde.
Sie war süß, gefällig, recht intelligent, und sie erledigte alles perfekt, wenn sie dazu kam. Was, wie schon gesagt, nicht sehr oft war. Häufig mussten wir die Sachen für sie erledigen.
Ariella behielt sie aber, weil Brooke jeden kannte – oft stellte sich heraus, dass jemand ihre Patentante oder der beste Freund ihres Vaters oder ihre ehemalige Klavierlehrerin war.
Sie kam mit kleinen Schritten, wie sie es an der Privatschule für höhere Töchter in Europa gelernt hatte, an meinen Schreibtisch und schwang ihr dichtes, glänzendes, von Natur aus schönes Haar, das vor Gesundheit, dem Privileg der Reichen, strotzte. Sie hatte perfekte Haut und trug nie Make-up, was für mich und Teenie das Aus bedeutet hätte, nicht aber für Brooke. Das Gleiche galt für ihre Bekleidung: Brooke war nicht im Entferntesten ausgeflippt, und niemand sagte etwas. Heute trug sie Hosen mit weit geschnittenem Bein aus sandfarbenem Kaschmir und einen süßen kleinen rehbraunen Pullover, auch aus Kaschmir. Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, dass es auch andere Materialien gab, und es ging das Gerücht, dass sie noch nie in ihrem Leben ein Kleidungsstück bei Zara gekauft hatte. Sie kaufte bei den drei Bs ein – Bergdorf, Barneys und Bendel, das goldene Dreieck, und das Erstaunlichste: Manchmal kaufte ihr Dad Klamotten für sie. Gelegentlich machte er mit seiner »kleinen Süßen« am Wochenende einen Einkaufsbummel und sagte: »Mach deinen Vater glücklich und lass ihn dir dieses Kleid aus Brokatseide/diese bestickte japanische Tasche/diese Sandalen von Gina kaufen.«
Das ist nicht ausgedacht, sondern hat sich wirklich zugetragen und wurde von Franklin berichtet, der an einem Samstag bei Barneys war und für seinen scharfen, jungen (mittellosen) Henk einkaufte in der Hoffnung, dass der ihn dann nicht verlassen würde. Im nächsten Moment erspähte Franklin Brooke und den alten Edison (der reicher als Gott ist), wie sie sich Handtaschen von Chloé ansehen. Zuerst dachte Franklin, der Alte sei Brookes Liebhaber, aber als er den Verkäufer sagen hörte: »Schönen guten Tag, Mr. Edison«, wurde ihm beinahe schlecht. Er sagte, es sei Pädophilie, fast schon Inzest. Franklin meinte das sicherlich nicht so, er ist einfach sehr garstig. Er hasst alle außer Henk, und manchmal kommt es mir so vor, als hasse er den auch. (Henk ist sozusagen Franklins Angetraute: ein dünner Junge mit schlauem Blick, die Jeans unanständig tief auf den Hüften, sodass ein schmaler, flacher Bauch zu sehen ist. Sein Haar hat helle Strähnchen, und er lässt es sich bei Frederic Fekkai in einem dummen, hochgebürsteten Stil schneiden. Er arbeitet nicht, wahrscheinlich nimmt seine Frisur so viel Zeit in Anspruch. Franklin bezahlt für die Schönheitspflege, aber hin und wieder bleibt Henk über Nacht weg und vergnügt sich downtown mit Seinesgleichen, die sich mieten lassen. Ich mag Henk sehr, er ist sehr, sehr komisch, aber wenn er mein Freund wäre, müsste ich sechzehn Xanax am Tag nehmen.)
Zu ihrer Kaschmir-Ausstattung kam noch, dass Brooke mindestens fünfzehn Artikel von Tiffany trug. Obwohl, alle trugen Tiffany-Sachen. Es war wie eine Pflicht. Wahrscheinlich würde man gebeten, New York zu verlassen, wenn man es nicht tat.
Sie streckte mir ihre Hand (mit kurz geschnittenen, klar lackierten Nägeln) entgegen, zuckte nicht mit der Wimper, als sie meine Narbe sah, und sagte mit aufrichtig klingender Stimme: »Anna, es tut mir so Leid, was passiert ist.«
»Danke.«
Dann ging sie, sie machte kein weiteres Aufheben darum – eine schwierige Situation, in der sie sich genau richtig verhalten hatte. Brooke machte die Dinge immer genau richtig. Sie war von allen Menschen, die ich kannte, am aufmerksamsten. Sie wusste auch immer genau, was sie in jeder Situation anziehen musste, und das gab es auch schon in ihrem Kleiderschrank. In dreifacher Ausführung. Sie wohnte in einer Welt mit strengen Regeln und hatte das Geld, die Regeln einzuhalten. Ich fragte mich oft, wie es sein musste, sie zu sein.
Brooke hatte einen Zwilling, Bonnie Bacall, die bei
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