Erdbeermond: Roman (German Edition)
kreischenden Bremsen der Busse, und das hier war bloß die 12te Straße. Wie würde das nur uptown sein?
Ich ging in Richtung Subway-Eingang, dann blieb ich stehen, weil mir einfiel, wie es da unten sein würde. Treppen rauf und runter, die ganze Zeit. Mein Knie tat mir mehr weh als in Dublin. Ich hatte nur die halbe Dosis Schmerztabletten genommen, weil ich in der Besprechung nicht einnicken wollte, und ich war erschrocken, als ich feststellte, wie sehr die Schmerzmittel die Schmerzen tatsächlich gedämpft hatten.
Aber wie sollte ich sonst zur Arbeit kommen? Ich wollte kein Taxi nehmen. Mit dem Taxi vom Flughafen war ich klargekommen, weil Rachel dabei gewesen war, doch der Gedanke, allein in einem zu sitzen, machte mich starr vor Angst. Entschlusslos stand ich da, ich war in der Klemme, so oder so, und überlegte, welche Möglichkeiten ich hatte. Zurück in die Wohnung gehen und den Tag dort allein verbringen? Das war von allen am unattraktivsten.
Nachdem ich eine ziemlich lange Zeit auf dem Gehweg gestanden hatte und seltsame Blicke von den Passanten bekam, sah ich mir selbst zu, wie ich ein Taxi anhielt und wie im Traum einstieg. Tat ich das wirklich? Ich verging fast vor Angst. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich alle anderen Autos, ich zuckte zusammen und verkroch mich in meinem Sitz, wenn eins zu nahe kam, als könnte meine Vorsicht verhindern, dass sie in mich hineinfuhren. Plötzlich, mit einem wuchtigen Schlag in die Brust, bei dem mein Herz fast stehen geblieben wäre, sah ich Aidan. Er saß in einem Bus, der an einer Kreuzung hielt. Ich sah ihn von der Seite, aber er war es eindeutig, seine Haare, sein Wangenknochen, seine Nase. Die Geräusche der Stadt wurden schwächer, es blieb ein verschwommenes Rauschen, wie statisches Knistern, und als ich nach dem Geld suchte und den Türgriff umfasste, fuhr der Bus an. Panikartig drehte ich mich um und starrte aus dem Rückfenster.
»Entschuldigung!«, sagte ich zu dem Taxifahrer, aber auch wir fuhren weiter und hatten uns schon zu weit entfernt. Es war zu spät zum Umdrehen, und der Verkehr in die andere Richtung bewegte sich kaum. Ich wurde fast verrückt, ich würde ihn nie einholen.
»Ja?«
»… nichts.«
Ich zitterte heftig: der Schock, ihn zu sehen. Es ergab keinen Sinn, dass er in dem Bus war – zur Arbeit musste er in die andere Richtung fahren.
Er war es wahrscheinlich nicht. Es war jemand, der so aussah wie er. Ganz genau wie er. Und wenn er es nun doch gewesen war? Wenn das meine einzige Gelegenheit gewesen war, ihn zu sehen?
ACHTZEHN
Die Sicherheitsleute wollten nicht glauben, dass ich wieder da war. Kein Mitarbeiter bei McArthur on the Park war je so lange nicht zur Arbeit erschienen, wirklich nie zuvor, nicht, um Ferien zu machen, nicht, um »nach Arizona« zu gehen, weil die meisten, die »nach Arizona« gingen, sowieso nicht wieder arbeiteten. Sie durften nicht wieder arbeiten.
»Hey, Morty, die irische Anna ist wieder da.«
»Wirklich? Irische Anna, wir dachten, sie hätten dich hochkant rausgeschmissen. Und was ist bloß mit deinem Gesicht passiert?«
Vorsichtig betasteten sie meine bandagierte rechte Hand, dann durfte ich mich in den Strom der Menschen einreihen, die zu den Aufzügen strebten. Ich quetschte mich mit den anderen, die alle ihre Kaffeebecher in der Hand hielten und aneinander vorbeisahen, in die Kabine.
Im achtunddreißigsten Stock öffneten sich die Aufzugtüren mit einem leisen Surren. Ich drängte mich nach vorn und wurde wie ein Pinball rausgedrückt. »Willkommen, Anna.« Ich machte einen Satz. Das war Lauryn Pike, meine direkte Chefin, und sie stand da und sah aus, als hätte sie die ganze Nacht da gewartet. Sie streckte versuchsweise ihre Hand aus, als wollte sie mich tröstlich berühren, doch dann entschied sie sich anders. Ich war froh. Ich wollte von niemandem berührt werden, ich wollte nicht getröstet werden.
»Du siehst großartig aus!«, sagte sie. »Sehr erholt. Dein Haar ist länger. Also! Fangen wir an, ja?«
Ich sah entsetzlich aus, aber wenn sie das zugab, musste sie vielleicht Zugeständnisse an mich machen. Jetzt ein paar Worte über Lauryn: Sie war dünn und knochig, sie fror immer, sie hatte stark behaarte Arme und eine hässliche braune Strickjacke, die sie im Büro trug und sich, indem sie ständig daran zerrte, um ihren unterernährten Körper schlang, um warm zu werden. In ihr brannte ein Feuer von manischer Intensität, und sie hatte hervorquellende Augen wie eine Kröte.
Weitere Kostenlose Bücher