Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
beobachtete ihn. Von oben hörte man Schritte auf Stein scharren.
    Verdammt! fluchte Roland. Er war in ungeschickter Stellung über die Lore gebückt, viel zu weit entfernt, um Chang mit irgendeiner Aussicht auf Erfolg anzugreifen. Außerdem hatte er Beutel in beiden Händen. Wenn er jetzt Krüge tragen würde, könnte er damit werfen…
    »Senterius? Was machst du da, du Hundsfott? Rauchen? Kleinerman wird uns alle rösten, wenn sie dich erwischen!«
    Roland begriff auf einmal, warum Chang ihn so intensiv beobachtete. Chang folgt meinen Augen!
    Roland konnte nicht umhin, daß sein Blick erstarrte, als ein gestiefelter Fuß auf der obersten sichtbaren Treppenstufe erschien. Chang benutzte ihn, um zu beurteilen, wann der Moment genau richtig war, um alle drei zu töten! Während er sich an Sekunden seines Lebens klammerte, erkannte Roland jäh, daß er damit Kanakoa und Schmidt ermordete.
    Aber selbst in dieser Erkenntnis blieb er wie eine Statue unbewegt. In Changs Augen sah er Verständnis und den Schimmer von Sieg und Verachtung. Wie hat er es gemerkt? schimpfte Roland innerlich. Wie hat er gemerkt, daß ich ein Feigling bin?
    Dieses Eingeständnis strafte seine sämtlichen Träume Lügen. Es verriet das, was Roland als Begründung für sein Leben angesehen hatte. Die Erkenntnis brannte so heiß, daß sie seine Starre durchbrach und sich in einem plötzlichen Schrei entlud.
    »Deckung!« rief er, warf sich auf die Palette und drückte den einzigen Hebel der Lore hinunter. Fast gleichzeitig donnerte eine Reihe schneller Explosionen durch die enge Kammer, und Rolands Bein zuckte in plötzlichem Schmerz. Dann war da Dunkelheit und das Pfeifen schnellen Windes, als der kleine Wagen in eine Finsternis raste, die tiefer war, als er je erlebt hatte.
    Sekunden tickten, während er mit brennendem Schmerz kämpfte. Roland biß die Zähne zusammen, um nicht zu stöhnen, und schlug wieder auf den Hebel, womit er die Lore mitten in dem schnurgeraden Stollen zu einem plötzlichen Halt brachte. Wellen von Benommenheit überkamen ihn, als er sich auf den Rücken rollte und seinen Schenkel packte, wo er eklige klebrige Feuchtigkeit fühlte.
    Eines war sicher – er konnte sich nicht den Luxus leisten, hier ohnmächtig zu werden. Komischerweise hatte man ihm in der Schule all das Zeug über Biofeedback beigebracht und ihn hier bei der Ausbildung darin gedrillt. Aber gerade jetzt konnte er einfach nicht die Zeit erübrigen, eine dieser Techniken anzuwenden, nicht einmal, um den Schmerz zu stillen!
    »Es gibt zwei Arten einfacher Schenkelwunden«, klangen Worte aus der Erinnerung, als er seinen Gürtel von der Taille löste. »Die eine, eine glatte Durchbohrung von Muskelfaser, ist recht gut zu behandeln. Tu das schnell und bewege dich weiter’. Dein Kamerad sollte imstande sein, Feuerschutz zu geben, selbst wenn er sich nicht mehr von der Stelle rühren kann.
    Die andere Art ist viel gefährlicher…«
    Roland kämpfte mit kalten Schauern, als er den Gürtel um die Wunde wickelte. Er hatte keine Ahnung, um welchen Typ es sich handelte. Falls Chang die Oberschenkelarterie getroffen hätte, würde sein behelfsmäßiger Knebel nicht viel ausrichten.
    Er grunzte und ruckte kräftig, um den Gürtel so fest zu ziehen, wie er konnte. Dann fiel er erschöpft zurück.
    Du hast es geschafft! Du hast den Bastard besiegt! sagte er sich.
    Roland versuchte, sich in eine gehobene Stimmung zu versetzen. Selbst wenn er jetzt verblutete, hatte er sicher mehr Minuten gewonnen, als Chang ihm zu geben beabsichtigt hatte. Und noch wichtiger – Chang war bezwungen worden! Indem er die einzigen Fluchtmittel des Schmugglerherrn entwendete, hatte Roland seine Gefangennahme gesichert.
    Warum fühle ich mich dann so mürbe?
    In der Phantasie hatte Roland sich oft vorgestellt, daß er im Kampf verwundet würde und vielleicht sogar stürbe. Aber er hatte immer erwartet, daß es einen gewissen Trost geben würde, sei es auch nur die endgültige Kondolenz eines Soldaten für den Sieg.
    Warum fühlte er sich jetzt so schmutzig? So beschämt?
    Er lebte jetzt noch, weil er das Unerwartete getan hatte.
    Chang hatte Heldentum oder Feigheit erwartet – den Angriff eines Berserkers oder animalische Starre. Aber in jenem Augenblick waren Roland die Worte des alten Veterans in Bloomington eingefallen. »Ein Narr, der leben will, wird alles tun, was sein Fänger ihm sagt. Er wird vollkommen still stehen, nur um einige Herzschläge mehr zu gewinnen. Oder er mag in einen

Weitere Kostenlose Bücher