Erde
anfangen.
Aber Changs nächstes Gebrüll zeigte Töne von Genugtuung. »Das ist besser! Ich kann es akzeptieren. Aber beeilt euch lieber mit den Dokument! Diese Männer sehen nicht gut aus.«
Roland fluchte: »Nein!«
Er rollte sich herum, griff in den Frachtkorb und stieß Beutel und Krüge auf die Gleise vor ihm. Sie zerrissen und zersprangen. Narwalzähne und Rhinohörner bedeckten die Strecke in pulverisierter Form und verhinderten weiteren Verkehr in dieser Richtung. Dann überwand Roland frische Wellen von Übelkeit, um sich um die schmale Lore herumzuquälen in die Richtung, aus der er gekommen war.
Er hatte befürchtet, den Hebel mit den Füßen bedienen zu müssen. Aber es gab am anderen Ende ein Duplikat. Eine rote Klemme sollte verhindern, daß der Schalter über einen bestimmten Punkt hinaus bewegt wurde. Roland riß sie weg und verletzte sich dabei am Finger.
»Ja, ich will, daß mein Hausarrest ständig von Kameras überwacht wird…«
»Dessen bin ich sicher, du Hanswurst.« knurrte Roland. »Aber mich legst du nicht herein.«
Er stieß den Hebel zurück, und die Lore glitt vorwärts. Was als leichte Brise begonnen hatte, wurde ein Orkan, als Energie aus den summenden Schienen strömte.
Chang, du vergißt, daß sich dein Gut noch auf Mutter Erde befindet. Und ich schätze, daß Mama inzwischen von dir genug haben dürfte…
Das Licht voraus dehnte sich ballonartig zu einem rasch expandierenden grellen Kreis. Roland spürte, daß Solenoide den Hebel zurückschieben wollten, aber er hielt ihn gewaltsam an der Stelle. In einem Moment, da sich die Zeit teleskopartig zusammendrängte, sah er, wie sich eine Gestalt in dem Licht drehte, den Stollen herunterstarrte, die Waffe erhob…
»Gaia!« schrie Roland – ein Kampfruf, den er in der letzten Sekunde gewählt hatte aus irgendeinem Winkel von Zuversicht, während er wie eine Rakete aufprallte.
Es war eine Unordnung, zu deren Inspektion das UNEPA-Team herunterkam, nachdem Leute der Friedensbewahrer es als sicher erklärt hatten und der verwundete Bursche eilends ins Hospital fortgeschafft worden war. Man machte noch Aufnahmen von den zwei Leichen, als die in Grün gekleideten Beamten vom Ökologie-Department schließlich die steile Treppe herunterkamen, um zu sehen, was geschehen war.
»Nun, Elena, hier ist Ihr fehlendes Versteck«, sagte einer von ihnen und stocherte sorgfältig in den weißen und grauen Pulvern, die über den Fußboden verstreut waren. Drei Regalwände waren intakt, aber eine vierte war zusammengebrochen über zwei reglosen Gestalten, die in der Ecke übereinander hingestreckt lagen. Dort war der Staub dunkelrot gefärbt.
»Verdammt!« fuhr der UNEPA-Mann kopfschüttelnd fort. »Eine Menge armer Tiere sind für den Fetisch eines alten Knackers gestorben.«
Elena blickte auf ihren langjährigen Feind hinunter. Changs Mund klaffte offen – vollgestopft mit Pulver, das sich von der linken Hand des jungen Rekruten herzog, mit dem sie früh am Abend noch gesprochen hatte. Selbst im Sterben und von Kugeln durchsiebt hatte der Soldat offenbar noch ein Gefühl für Symmetrie gehabt, für Poesie.
Ein Unteroffizier der friedenerhaltenden Streitmächte saß bei dem Jungen und glättete eine Locke zerzausten Haares. Der Korporal schaute zu Elena auf. »Senterius war ein miserabler Schütze. Hat bei allen Waffen nie erfolgversprechend ausgesehen. Aber ich schätze, daß er improvisiert hat. Er hat bestanden.«
Elena wandte sich ab, angewidert von der jugendlichen Gefühlsduselei. Krieger, dachte sie. Aber die Welt wird trotzdem erwachsen. Bald werden wir die eines Tages los sein.
Aber warum hatte sie plötzlich doch das Gefühl, einen Tempel betreten zu haben? Oder daß die Geister aller gequälten Kreaturen gerade jetzt stumm ehrfürchtig Wache hielten, zusammen mit dem trauernden Korporal?
Danach schien Elena die leise Stimme einer anderen Frau zu hören – so kurz, daß es höchst leicht war, dies als ein Echo oder eine momentane Einbildung infolge Erschöpfung anzusehen. Aber sie schloß doch kurz die Augen und schwankte.
»Es wird ein Ende des Krieges geben«, schien die Stimme mit sanfter Geduld zu sagen.
»Aber es wird immer Bedarf für Helden geben.«
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Nach dem Zerbrechen des Superkontinents Pangaea verstrichen Jahrmillionen, während die indische Landmasse nordwärts von Afrika fort wanderte und in einsamem Glanz über den urtümlichen Ozean kroch. Dann stieß Indien in einem Äon plötzlich frontal in den Leib
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