Erde
birgt eine Lore auf stummen Schienen. Wenn du mir hilfst, meinen Schatz fortzuschaffen, könnte ich eine lange, profitable Beziehung beginnen.«
Roland fühlte die stechende Intensität in den forschenden Augen des Mannes. Nach kurzem Nachdenken zuckte er die Achseln. »Sicher, warum nicht?«
Jetzt war es an Chang, eine Pause zu machen. Dann kicherte er. »Ah! Ich freue mich, wenn mir Witz begegnet. Natürlich weißt du, daß ich lüge und dich sofort töten würde, wenn wir das andere Ende erreichen. Und ich meinerseits kann sagen, daß du dringendere Ziele hast als Geld. Vielleicht ist es Ehre, was du suchst?«
Roland zuckte wieder die Achseln. Er hätte es nicht ganz so ausgedrückt.
»Also haben wir wieder ein Patt. Darum mein zweiter Vorschlag. Du hilfst mir, meine Lore zu beladen im Visier meiner Waffe. Dann werde ich abhauen und dich am Leben lassen.«
Diesmal machte Roland eine Pause nur, um Zeit zu gewinnen. »Wie soll ich wissen…«
»Keine Fragen! Es ist klar, daß ich dir nicht den Rücken zukehren kann. Stimme zu oder stirb sofort! Fang an mit den Beuteln auf dem Regal an deiner Schulter, oder ich werde schießen und fort sein, ehe andere kommen können!«
Roland drehte sich langsam um und nahm zwei Beutel auf, einen in jeder Hand.
Die ›Lore‹ schwebte in der Tat ein paar Zentimeter über einem Paar blanker Schienen, die sich in unbestimmte Finsternis erstreckten. Roland zweifelte nicht, daß das für eine rasche Flucht gedacht war oder daß Chang lange fort sein würde, bis die UNEPA das andere Ende gefunden hätte. Der Kerl schien an alles gedacht zu haben.
Er versuchte, bei jedem Gang so wenig wie möglich zu tragen. Chang zündete eine Zigarette an und rauchte, wobei er Roland wie eine Katze beobachtete, wenn dieser sich über die kleine Passagierpalette beugte, um seine Lasten in den geräumigen Frachtkorb der Lore zu tun.
Rolands Erfahrung mit Babuschkas und alten Knackern in Indiana halfen ihm; denn er schien instinktiv zu wissen, wie man eine Provokation knapp vermeiden konnte. Einmal hantierte er ungeschickt mit einem Tonkrug. Der schlug hart auf und verstreute Pulver auf den Boden des Tunnels, das knisterte, wo es auf die silbrigen Schienen traf. Chang zischte, und seine Handknöchel wurden am Pistolengriff weiß. Aber Roland erwartete nicht, daß der Schuft ihn jetzt gleich erschießen würde. Er würde es im letzten Moment tun, wahrscheinlich, wenn die Lore startbereit wäre.
»Beeilung!« fauchte der Han-Millionär. »Du bewegst dich wie ein Amerikaner!«
Das gab Roland einen Vorwand, sich umzudrehen und den Mann anzugrinsen. »Wie bist du darauf gekommen?« fragte er und verzögerte die Dinge um einige Sekunden, Changs Geduld strapazierend, bis er zwei weitere Krüge packte und wieder an die Arbeit ging.
Chang blickte immer wieder die Treppe hinauf und lauschte offenbar… ließ aber nie seine Aufmerksamkeit so lange erlahmen, daß Roland auf dumme Gedanken kommen könnte. Du hättest die verborgene Passage sofort melden sollen, als du sie gefunden hast, dachte Roland und fluchte im stillen. Unglücklicherweise befand sich die Öffnung hinter dem Ausstellungskasten; und wer wußte, wann sie entdeckt werden würde?
Wahrscheinlich zu spät für den Gefreiten Roland Senterius.
Der Ausdruck in Changs berechnenden Augen veranlaßte Roland, das Szenarium zu überdenken. Er weiß, daß ich weiß, daß ich ihn anspringen muß, kurz vor dem Ende.
Und überdies weiß er, daß ich weiß, daß er es weiß.
Dies bedeutete, Chang würde ihn vor dem letzten Moment erschießen, um diesen verzweifelten Ausfall zu verhindern. Aber wie weit früher?
Nicht allzu früh, sonst würde der Schmuggler mit einer halbleeren Lore verschwinden und den Rest seines Hortes für immer aufgeben müssen. Offenbar war Changs tiefe Gier das, was Roland noch am Leben hielt. Er müßte es aber tun, ehe der Frachtkorb bis oben hin gefüllt war… ehe Rolands Adrenalinstand für die maximale, Alles-oder-nichts-Anstrengung hochgestiegen war.
Noch fünf Ladungen, dachte Roland, während er weitere Krüge unter Changs wachsamem Blick dicht an dicht verstaute. Wird er es bei dreien tun? Oder zweien?
Er brachte die nächste Ladung und nahm seinen Mut zusammen, als ein Geräusch aus dem steilen Treppenschacht herunterhallte und alle Pläne umwarf.
»Senterius! Hier ist Kanakoa. Und Schmidt. Was, zum Teufel, machst du da unten?«
Roland erstarrte. Chang drückte sich an die Mauer dicht bei der Treppe und
Weitere Kostenlose Bücher