Erde
vertrautes Bild im Raum über der Tischplatte erscheinen.
Die Augen ihres Vaters zeigten Fältchen des Lächelns, und er schien sehr stolz auf sie zu sein, als er mit dem Mund stumm Worte bildete, die sie schon lange auswendig kannte. Worte der Unterstützung. Worte, die ihr so oft so viel bedeutet hatten, seit er sie zuerst gesprochen hatte… und seither bei jeder Gelegenheit, wenn sie sich gegen eine Übermacht hatte auflehnen müssen.
Nur war keine jener anderen Krisen auch nur annähernd so schlimm wie die Sache, in die sie jetzt hineingeraten war. Darum hielt sie ihre Hand zurück, um nicht die Tonkontrolle zu berühren oder sogar seine wohlvertraute Ermutigung in ihrem Geist noch einmal abspielen zu lassen.
Sie hatte zu große Angst, es zu probieren. Wie, wenn die Worte diesmal nicht wirken würden? Könnte ein solches Versagen den Talisman für immer ruinieren? Ungewißheit sollte man vorziehen gegenüber der Erkenntnis, daß dieses letzte Kriterium ihres Lebens seine Kraft verloren hätte und daß selbst die ruhige Zuversicht ihres Vaters keine Sicherheit böte vor einer Welt, die zu jeder ihr genehmen Zeit dahinschmelzen konnte.
»Es tut mir leid, Papa«, sagte sie ruhig und entschieden. Teresa wollte hinlangen und seinen graumelierten Bart berühren. Aber statt dessen wandte sie sich ab und richtete ihre Aufmerksamkeit fest auf die vorliegende Unternehmung. Sie holte aus ihrer Tasche eine der zwei Datenspulen und steckte sie in einen Schlitz im Schalter. Sie wählte als Codewort den Namen der Lieblingskatze einer Zimmergenossin und schuf sich ein persönliches Versteck, in das sie den Inhalt der Spule eingab. Als der Zylinder leer und gelöscht war, atmete sie etwas leichter.
Sie war immer noch mit einer gefährlichen Unternehmung beschäftigt, die sie die Stellung kosten oder sogar ins Gefängnis bringen konnte. Aber wenigstens würde sie jetzt nicht eine Pariah wegen der modernen Sünde des Bewahrens von Geheimnissen sein. Sie hatte gerade ihre Geschichte – von der Erewhon-Katastrophe bis zu ihrer neuen, heimlichen Sammlung von Orbitaldaten für Pedro Manella – registriert. Falls irgend etwas davon jemals zum Prozeß führen würde, wäre sie jetzt imstande, mit diesem datierten Versteck zu zeigen, daß sie in gutem Glauben gehandelt hatte. Die Verträge von Rio erlaubten es, Information befristet zurückzuhalten – oder das zu versuchen –, so lange sorgfältige Aufzeichnungen aufbewahrt wurden. Diese Ausnahme war erlassen, um den Bedürfnissen der Privatwirtschaft zu genügen. Die Väter der Verträge – radikale Veteranen des Helvetischen Krieges – hatten sich wahrscheinlich nie gedacht, daß ›befristet‹ auch bis zu zwanzig Jahren ausgedehnt werden oder daß die Registrierung von Tagebüchern wie dem ihren eine eigene Industrie werden könnte.
Teresa versiegelte die Akte und verschluckte den Schlüssel geistig. Ihr Vertrauen in das System war so groß, daß sie die leere Spule einfach auf dem Schaltertisch liegen ließ.
»Ich wünsche, Sie hätten das nicht getan.«
»Was getan, Pedro?«
»Sie wissen, was ich meine. Was Sie getan haben, als Sie wieder auf die Erde kamen.«
Manella sah sie an wie ein mißbilligender Vater. Zum Glück war Teresas eigener Vater geduldig und verständnisvoll gewesen – und schlank. Mit anderen Worten, gar nicht wie Pedro Manella.
»Ich habe nichts weiter getan als abgelehnt, Oberst Spivey die Hand zu schütteln. Sie denken wohl, ich hätte ihn ins Gesicht geschlagen oder erschossen.«
Der wohlbeleibte Nachrichtenmann blickte auf die blauen Lagunen von Houston hinab und schüttelte den Kopf. »Vor Kameras des Netz-Magazins? Genau das hätten Sie getan haben können. Was soll das Publikum denken, wenn eine Shuttlepilotin aus ihrem Raumschiff steigt, den Dank aller anderen Astronauten entgegennimmt, sich aber dann scharf abwendet und spuckt, wenn der Missionsleiter seinerseits herantritt?«
»Ich habe nicht gespuckt!« protestierte sie.
»Nun, es hat aber so ausgesehen.«
Teresa wurde es warm unter ihrem Kragen. »Was wollen Sie von mir? Ich hatte gerade verifiziert – zumindest war ich dessen sicher –, daß der Schuft ein Schwarzes Loch auf Erewhon gehabt haben mußte. Er hat meinen Gatten für eine illegale Verschwörung gewonnen, die ihm den Tod brachte! Erwarten Sie, daß ich ihm einen Kuß geben sollte?«
Manella seufzte. »Das wäre vorzuziehen gewesen. So wie es jetzt ist, könnten Sie unsere Operation aufs Spiel gesetzt
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