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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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dem Schlafengehen.
    Es war noch ein Brief übrig. Dieser war über ihren privaten Empfangscode gekommen. Also kannte der Absender diesen. Jen las ihn mit zunehmender Gereiztheit. Da schien jemand Ferienheime auf dem Ochotskischen Meer anzubieten!
    Das hat mir gerade noch gefehlt!
    Aber dann fiel ihr plötzlich ein. Ferienheime …
    Das war ein mnemonischer Hinweis. »Sri Ramanujan«, sagte sie laut, »ich glaube, diese Nachricht könnte chiffriert sein. Sehen Sie bitte nach, ob ich einen Schlüssel dafür besitze!«
    Das Gesicht des jungen Hindus erschien alsbald.
    »Jawohl, Jen Wolling. Sie benutzt einen privaten Code, den Ihnen vor Jahren die Pazifische Gesellschaft von Hine-marama gegeben hat. Ich werde sie in einer Minute übersetzen.«
    Ah! dachte Jen. Das mußte von der neuseeländischen Priesterin sein, Meriana Kapur. Es war sehr lange her, daß sie diese Maorifrau gesehen hatte, deren Kult das Gaia-Konzept ziemlich wörtlich nahm. Aber das hatte auch Jen während einer gewissen Phase getan.
    »Hier ist es, Professor!«
    Ramanujan verschwand wieder und ließ dafür eine völlig umgewandelte Nachricht zurück.
    Auch eine völlig harmlose Mitteilung. Was sie jetzt las, bestand aus einer unzusammenhängenden Folge von Erinnerungen… manchen, die die beiden Frauen vor langer Zeit gemeinsam gehabt hatten, und manchen, die deutlich zurechtgemacht waren. Jen fiel auf, daß kein Satz betont war. Ihr Programm für semantischen Gehalt konnte keine einzige deutliche Äußerung finden, die man hätte groß schreiben müssen!
    Aber dann fing sie an zu lächeln. Natürlich! Das ist keine Senilität, sondern die Schärfe einer Diamantklinge. Da sind Chiffres in Chiffren, Codes in Codes.
    Offenbar wollte Auntie Kapur sicher sein, daß nur Jen diese Nachricht verstand. Gewiß würde kein automatisches Schnüffelprogramm eines emsigen Hackers einen Sinn hieraus gewinnen – nicht ohne den gemeinsamen Kontext zweier Frauen, die sehr lange gelebt hatten.
    Undeutlichkeit kann eine eigenständige Kunst sein.
    Jen verging das Lächeln, als es ihr allmählich klar wurde, wie ernst die Maoripriesterin dies nahm. Die Vorsichtsmaßnahmen begannen Sinn zu bekommen, als die Bedeutung aufdämmerte.
    »… Ich fürchte, für das unerwartete Geschwür Mamas gibt es nur eine mögliche Heilung. Die Reparatur des Lochs erfordert drastische Maßnahmen… aber die regulären Doktoren würden nur eingreifen, wenn sie wüßten. (Wir meinen, daß sie ursprünglich das Problem geschaffen haben)…«
    Es gab noch mehr Passagen dieser Art. Hinweise und Andeutungen. Wollte Meriana sagen, daß die Welt selbst gefährdet war? Eine Bedrohung, größer als das große Unentschieden der Nuklearmächte vor langer Zeit?
    Eine beiläufige Bemerkung fiel ihr erst beim dritten Lesen auf. Dann begriff Jen, daß Kapur von ihrem Enkel sprach.
    Alex? Aber worin konnte er verwickelt sein, das eine solche Bedrohung bilden könnte für…
    Jen keuchte. Oh, der schlimme Junge! Diesmal muß er es wirklich getan haben!
    Kein einigermaßen vernünftiger Mensch behielt vertrauliche Mitteilungen auf dem Computer. Also nahm sie aus einer Schreibtischschublade einen kostbaren Pack echten Papiers und einen Schreibstift. Diesmal ging Jen den Brief ihrer Freundin ganz besonders sorgfältig Zeile für Zeile durch, notierte Hinweise und mögliche Bedeutungen. Das war keine Form des Knackens eines Codes, wie ihn eine Maschine leisten könnte, sondern mehr wie die alte Freudsche Kunst der Analyse freier Assoziationen, eine Spurensuche durch die subjektive Welt von Eindrücken und wilden Vermutungen. Ein Spiel sehr menschlicher Art, Jahrtausende älter als die diskreten Strukturen der Cybernetik.
    Was will sie eigentlich genau von mir? Jen überlegte, wie sie als alte Frau Auntie und Alex in einer so grausigen Situation helfen könnte. Aber endlich wurde es klar. Afrika. Ndebele Canton… Meriana hat von meinem Besuch dort gehört. Sie denkt, ich kann ihnen helfen, hineinzukommen. Insgeheim.
    Jen lehnte sich erstaunt zurück. Geheim? In diesen Tagen?
    Die Idee war absurd. Sie kaute auf ihrer Lippe.
    Nun… es wäre zumindest eine Herausforderung.
    Bei Pauling und Orgell… Ich wette, daß ich es tun kann.
    Eines war sicher. Aunties Brief erforderte eine sofortige Antwort. Hiermit nicht bis Freitag warten.
    Und jener Bursche in Kuwenezi – Nelson Grayson. Es sah so aus, als ob dieser junge Mann mit den zahmen Pavianen doch auch seine Antwort bekommen müßte.
     
    ¤ Net Vol.

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