Erde
versucht wohl kaum je, etwas zu verbergen. Worauf ist sie jetzt aus?«
Mit trivialer Leichtigkeit verfolgte Daisy das Memorandum zu seiner Quelle. Natürlich! Die Pazifischen Gaianer waren gerade richtig, um mit Wolling zu konspirieren. Als Kompromißler verehrten sie eine blutlose Göttin, die gewillt schien, sich für eine Welt einzusetzen, die vom Menschen nur halb zerstört würde, wobei die meisten ihrer Species in Glasflaschen konserviert wurden. Man verließ sich da auf technische ›Lösungen‹, die Idioten wie Logan Eng zusammengeschustert hatten…
Der Zifferncode war gut. Es dauerte eine Stunde, ihn zu knacken. Und als Daisy schließlich den entzifferten Brief las, fand sie eine zweite Schicht voller persönlicher Verweise und im Kontext enthaltener Andeutungen – die schwierigste Art von Rätsel für einen Außenstehenden zu lösen.
Das machte es aber natürlich nur noch reizvoller. Daisy wußte von mehreren neuen Sprachprogrammen, die an sich fast intelligent waren und die man hier anwenden könnte. Und dann gab es menschliche Berater, die ihr auch verpflichtet waren. Einige davon könnten Zusammenhänge herausfinden, die ihr fehlten.
Falls das versagte, hatte sie auch gewisse Kontakte unter feindlichen Gruppen… großen Korporationen und Regierungsstellen, denen phantastische Hilfsmittel zur Verfügung standen. Darunter gab es auch Männer und Frauen, die wegen früherer Dienste in ihrer Schuld standen. Daisy hatte sich schon mit Teufeln abgegeben, wenn das ihren Zwecken dienlich war. Manchmal waren anständige Räuber leisetretenden Kompromißlern vorzuziehen.
Sie übertrug den teilweise entzifferten Brief in ihre Akte für ›mögliche Hinweise‹ – zusammen mit anderen Anomalien wie dem Aufsatz ihres Exgatten über die mysteriösen Erdbeben in Spanien.
Zu ihrer Linken überwachten unbeachtet kleine Bildschirme alle zwanzig Hektar von Six Oaks, dem Bereich, den sie und Logan hier im Bayou geschaffen hatten, und wo sie Unabhängigkeit und ›Null-Einwirkung‹ weitaus hingebungsvoller praktizierte als die blassen Versionen, welche die Nordamerikanische Kirche der Gaianer – NorAChuGas – predigte. Nicht bloß ›gutwillige Bemühungen‹, sondern Unabhängigkeit von den Bergwerken und Fabriken und verschmutzenden Kraftwerken einer industriellen Gesellschaft… und von ihrer eigenen verdammten, blasierten aristokratischen Familie.
Einer dieser Bildschirme zeigte ihre Tochter, wie sie am Gewächshaus auf einer Trittleiter stand, das Haar mit einem Tuch zurückgebunden und die Arme bedeckt mit Kitt, als sie die Etiketten von neu gekauften Glasplatten abkratzte und diese einpaßte, um die kürzlich bei einem Sturm zerbrochenen zu ersetzen.
Aber Daisy schaute nicht hin und erinnerte sich auch nicht an ihr Versprechen. Ihre blauen Augen wurden wieder von den Holoschirmen angezogen und schweiften über die elektronische See, den Datenozean, auf der Suche nach den Erzfeinden ihrer Welt. Sie übte eine Art Blutrache aus. Sie verfolgte Beute.
¤ Kein Tier ist als Individuum so liebenswert und dennoch in großen Gruppen so widerlich. Gefräßig, unversöhnlich, alles verzehrend, was in Sicht ist, ist diese Kreatur für die Erde verderblich gewesen. Binnen weniger Jahrtausende hat sie große Teile des Planeten entblößt und in unfruchtbare Wüste verwandelt.
Dieses Tier ist nicht der Mensch, obwohl die Menschheit geholfen hat, daß es sich in großen Zahlen vermehrte. Es ist die Ziege. Eine Wohltat für unbedeutende Nomaden, ist sie ein unermeßliches Unheil für die Biosphäre des Planeten. Selbst heute noch trägt es soviel Schuld an den sich ausbreitenden Sandflächen wie die globale Erwärmung oder schlecht geplante Bewässerung.
Darum haben wir, die Erhaltungs-Allianz von Nordafrika, widerwillig Maßnahmen ergriffen, um eine Species zum Wohle aller zu opfern. Darum kommen wir heute auf das Netz über diese nicht aufspürbare Route, um zu verkünden, was wir getan haben.
Manche sagen, das bevorzugte Ziel einer Aussiebung sollte die Menschheit selbst sein, die noch schlimmeres Unheil bewirkt hat. Das mag so sein, aber wir räumen eine übergroße Gewissenhaftigkeit ein hinsichtlich des Ermordens der Milliarden von Menschen, das nötig wäre, um einen Unterschied zu bewirken.
Außerdem hat der Helvetische Krieg erwiesen, daß Homo sapiens gegenüber technisch manipulierten Krankheiten außerordentlich widerstandsfähig ist. Die Teams der Großmächte für Biokrisen würden die Sache
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