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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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auf dem Rücken hätten?
    Aber Stan enthielt sich eines Kommentars. Er wußte, daß auch Teresa unter einer ähnlich schweren Reaktion litt. Ihre Methode, mit dieser schlimmen Krise fertig zu werden, bestand in deren Verleugnung. Sie würde das bestimmt nie mit ihrer Arbeit in Konflikt kommen lassen, aber Stan meinte, sie ließ einfach den Grund für ihr verzweifeltes Unternehmen ihrem Geist entgleiten bei jeder Chance, die sich ihr bot.
    »Das liegt an der Erziehung des armen Alex«, antwortete Stan mit seinem besten Akzent als Alter Junge. »Englische Privatschulen machen das mit einem jungen Burschen, wissen Sie nicht?«
    Teresa lachte, und Stan freute sich, den reinen, ungetrübten Ton zu hören. Sie hat genügend Gründe, um zu leugnen. Von allen Mitgliedern ihrer Gruppe war sie als erste persönlich vom peitschenden Schweif des taniwha – des Monstrums im Erdkern – getroffen worden.
    Diese Ehre würde in Kürze vielen von ihnen zuteil werden. Stan dachte an Ellen und die Enkelkinder und seine Tochter drüben in England. Gesichter von Studenten und Freunden tauchten immer zu verschiedenen Zeiten auf, besonders im Schlaf. Manchmal fühlte es sich so an, als ob man ein Fotoalbum bereits verlorener Schätze durchblätterte.
    Halt! Es bringt nichts, so zu jammern.
    Er suchte Zerstreuung in der Ferne. Die Nordwestpassage lag jetzt hinter ihnen. Zur Linken konnte man Flotten kleinerer Schiffe sehen, die sich zwischen felsigen Inseln hindurchschlängelten, um einen geschäftigen Hafen vor ihnen zu erreichen.
    »Godhavn«, sagte Teresa, die wieder in ihrem Führer las. Sie zeigte auf die Piers und Fabriken, welche die Bucht säumten. »Und was sagt das Netz über die wichtigste Industrie dieser Stadt? Dreimal dürfen Sie raten.«
    Stan brauchte nicht den Geruch der Fischkonservenfabriken zu riechen. Diese Trawler kamen von den reichen Bänken fern der Küste zurück, wo arktische Strömungen Wolken silbriger Fische ernährten. Bislang hatten Wächter der UNEPA es geschafft, diese vitale Hilfsquelle für die ausgehungerten Milliarden der Menschheit zu erhalten. Darum war hier nicht alles verloren. Wenigstens noch nicht.
    Die Konservenfabriken hatten die Stadt emporschießen lassen, und es fehlte nicht an gierigen Einwanderern, die an einer neuen Grenze ihr Glück suchten. Andere kamen wegen Ellbogenfreiheit, um dem Gedränge der Nachbarn daheim zu entkommen.
    Vor tausend Jahren ist es wahrscheinlich gar nicht so sehr anders gewesen, dachte Stan. Auch damals jagten Menschen nach Reichtum und Luft zum Atmen. Und der Rote Erik wußte genau, wie man sie an diese entfernte Küste locken konnte. Selbst ihr Name – Grönland – war ein frühes, inspiriertes Beispiel schleichender Werbung.
    Wikingersiedlungen waren an der felsigen Küste aufgeblüht. Und die Skandinavier hatten zunächst Glück, da sie in einer warmen Wetterperiode ankamen, die von Sonnenflecken und der leicht veränderlichen Erdbahn bewirkt war.
    Aber was Astronomie gab, konnte sie auch wieder nehmen. Im fünfzehnten Jahrhundert hatten die Zyklen wieder eingesetzt. Die ›kleine Eiszeit‹ – eine Zeit kümmerlicher Sommer und seltenerer Sonnenflecken – ließ Seine und Themse zu Weihnachten einfrieren, und man sah Eisberge vor Spanien. Ironischerweise erzählten irische Matrosen von der kämpfenden grönländischen Siedlung erst Dekaden vor einer anderen Morgendämmerung, als Christoph Columbus und John Cabot die Aufmerksamkeit der Welt wieder auf fremde Lande richteten, die den Ozean säumten… Aber zu der Zeit, da Reisende wieder ihren Fuß auf die große Insel setzten, waren alle Zeichen lebender Europäer entschwunden.
    Stan fand es schwer, sich vorzustellen, daß die Geschichte sich hier wiederholte. Die Werften und Fabriken hatten alle das fest ummauerte Aussehen entschlossener Dauerhaftigkeit, als ob sie der Natur trotzten, das Schlimmste zu tun.
    Und dennoch, grübelte Stan. Andere Zeitalter waren auch selbstsicher – und sieh sie jetzt an!
    Bald blieb die Konservenstadt zurück, als ihr Pilot eines der großen Täler hinaufsteuerte, die in Äonen durch endlose Tonnen alten, zusammengepreßten Schnees eingekerbt wurden. Jetzt flossen in den Tälern da unten neugeborene Ströme. Rentiere trampelten über von Algen gefleckte Steine, durch den Schatten des Luftschiffs in scheue Flucht getrieben.
    Oben vor ihnen lag der große Gletscher selbst. Hier und in der Antarktis wurden die Eisgebirge drei Kilometer dick und speicherten die Hälfte des

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