Erde
Experimente möglich sind! Theorie allein ist nur Masturbation.«
Die kleine Runde brach in Gelächter aus. Aber Wyn war kein Spielverderber. Und als ein jeder spekulieren wollte, brummte er nur gutmütig und machte weiter.
»Wir werden uns um das Han-Interferometer kümmern«, sagte eine Geologin namens Gorschkov, die Stan seit Jahrzehnten immer wieder bei Konferenzen begegnet war. »Die Chinesen reden schon immer darüber. Warum können sie die Frage nicht mit Einrichtungen beantworten, die schon jetzt im Orbit sind?«
Stan zuckte die Achseln. »Die eurorussischen und amerikanischen Teleskope sind inzwischen recht alt, Elena. Nun ja, sie haben Planeten bei nahegelegenen Sternen entdeckt, aber nur Riesen wie Jupiter und Saturn. Kleine Gesteinswelten wie die Erde sind schwerer zu finden… als ob man das reflektierte Aufblitzen einer Nadel dicht bei einem brennenden Heuhaufen ausmachen wollte, sollte ich meinen.«
»Aber sagen nicht die meisten astrophysikalischen Modelle voraus, daß sonnenähnliche Sterne Planeten haben würden?«
Diesmal war es ein anderer Däne, Teresas stämmiger Freund Lars. Der Bursche mochte aussehen wie ein besonders kräftiger Mechaniker oder ein Fußballchampion, war aber offenbar sehr belesen.
Stan antwortete: »Ja und nein. Sterne vom Typ G wie unsere Sonne haben in ihrer Kindheit viel Drehimpuls abgeben müssen, und da unsere fast ihren ganzen Drall an ihren Hofstaat von Planeten verloren hat, denken die meisten Astronomen, daß auch andere Sterne, die wie die Sonne rotieren, Planeten haben müssen.
Ferner meinen die Astronomen, daß frühe Protosterne starke Partikelwinde ausstoßen, die flüchtige Elemente wegtreiben. Darum gibt es im äußeren Sonnensystem so viel Wasserstoff, während die nahe befindlichen Merkur und Venus den ihren verloren haben.«
»Aber die Erde hat es gerade richtig getroffen«, nickte Wyn. »Mitten in einer Zone, wo Wasser flüssig bleiben kann, nicht wahr?«
»Der Hahnenfußeffekt.« Stan stimmte zu. »Das Leben hätte ohne viel Wasser nie begonnen oder so lange existiert haben können.
Was aber anbetrifft, daß die Erde sich ›in der Mitte‹ der Lebenszone des Sonnensystems befindet, so haben Astronomen seit mehr als hundert Jahren darüber gestritten. Manche pflegten zu denken, wenn unsere Welt der Sonne nur um fünf Prozent näher wäre, dann wäre sie in die Venusfalle gestürzt… Hitzetod durch außer Kontrolle geratene Treibhaushitze. Und wenn wir nur fünf Prozent weiter entfernt wären, dann wären die Meere der Erde ewig gefroren.«
»So? Und was ist die moderne Schätzung?«
»Gegenwärtig? Die besten Modelle zeigen, daß unsere Lebenszone wahrscheinlich sehr breit ist und sich von etwas unter einer Astronomischen Einheit bis zu drei oder mehr erstreckt.«
Jemand stieß einen Pfiff aus. Elena Gorschkov schloß die Augen. »Wartet einen Augenblick! Das reicht bis über Mars hinaus. Warum ist dann der Mars keine lebende Welt?«
»Eine gute Frage. Es gibt Anzeichen dafür, daß der Mars einmal flüssiges Wasser besessen hat, das große Canyons gegraben hat, die wir leider noch nicht besucht haben.« Darauf erhob sich allgemein ein zustimmendes Gemurmel. Mehrere hoben ihr Glas auf versäumte Gelegenheiten. »Vielleicht hat es dort sogar eine Zeitlang Meere gegeben, wo irdische Lebensformen einen mutigen Anfang machten, ehe alles Wasser in den Sandmassen gefror. Das Problem mit dem alten Mars war nicht, daß er sich zu weit entfernt von der Sonne drehte. Die eigentliche Schwierigkeit war, daß die Römer ihren Kriegsgott nach einem Pygmäen benannt haben. Einer Zwergwelt, zu klein, um die notwendigen Treibhausgase festzuhalten. Zu klein, um diese berühmten Schildvulkane am Rauchen zu halten. Um die Hälfte zu klein für Leben.«
»Hmm«, bemerkte Lars. »Jammerschade um den Mars. Aber wenn G-Sterne breite Lebenszonen haben, sollte es draußen viele andere Welten geben, wo die Bedingungen richtig waren… mit Ozeanen, wo Blitze die ersten Schritte tun konnten. Die Evolution hätte an solchen Orten auch funktioniert. Warum also…?«
»Wo, zum Kuckuck, sind sie denn alle?« Wyn Nielsen haute auf den Tisch.
Damit kommen wir wieder zu der alten Frage, dachte Stan. Enrico Fermi hatte sie vor hundert Jahren auch gestellt. Wo sind sie denn wirklich alle?
In einer Galaxis von einer halben Milliarde Sternen müßte es sehr viele Welten wie die Erde geben. Sicher müßten manche davon schon vor langer Zeit Leben und sogar eine Zivilisation
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