Erde
verstandesbegabten Rassen gehören. Er sah sich diesen satirischen Rollentausch sicher mit Vergnügen an.
Verdammt! fluchte Crat innerlich, als sein rechter Arm endlich frei wurde. Nirgends wird man in Ruhe gelassen. Nicht einmal beim Sterben.
Zusammen mit diesem Ärger verschwand die friedliche, langwährende Resignation. Mit einem Ruck kehrte sein Lebenswille plötzlich zurück. Panik drohte, als sein Zwerchfell sich verkrampfte und einige Blasen entweichen ließ. Er mußte nur eine, höchstens zwei Minuten unter Wasser gewesen sein, aber seine Lungen schmerzten furchtbar.
Ironischerweise war es der Delphin – die Tatsache, daß er ein Publikum hatte –, welcher Crat durchhalten ließ. Verdammt, wenn er das gleiche Schauspiel bieten würde wie die anderen! Jetzt, da sein Verstand wieder arbeitete, erinnerte Crat sich allmählich an wichtige Dinge.
Zum Beispiel den Umstand, daß er ein Messer hatte. An seinem Knöchel in einer Scheide, gehörte es zu den wenigen Regeln des Schiffs, daß man das nie preisgeben würde. Crat krümmte sich, tastete und reckte sich wieder. Er hatte die blitzende Klinge und fing an, an den Strängen herumzusägen, die seine Beine festhielten.
Merkwürdig, wie das Wasser den Schall leitet – es schien seinen Herzschlag zu verstärken und rief allseitig vielfache Echos hervor. Den Kontrapunkt schien der Zuschauer zu liefern, sein delphinischer Voyeur… obwohl Crat es vermied, die Kreatur anzusehen, während er arbeitete.
Ein Bein frei! Crat entließ eine Schleife des Netzes in die Strömung – und verlor dabei fast sein Messer. Er hielt es krampfhaft fest und stieß dabei mehr schale, kostbare Luft aus.
Seine Finger waren wie taube Würstchen, als er wieder anfing zu sägen. Das Meer füllte sich mit Flecken, während die Sekunden verstrichen. Unendliche Schulen klumpiger purpurner Fische drängten sich vor seiner versagenden Sehkraft, die Bewußtlosigkeit ankündigte. Sie fingen an zu verschwimmen, und das Gefühl verbreitete sich durch seine Glieder, als der Körper zu zittern begann. Jetzt würde er jede Sekunde seinen Willen überwältigen mit einem krampfhaften Drang zu atmen. Die letzte Schlinge getrennt! Crat versuchte sich in Richtung Oberfläche abzustoßen, aber seine ganze restliche Kraft mußte dazu dienen, daß er nicht Luft holte.
Eine Hilfe von überraschender Seite rettete ihn… ein Schubs von unten, der ihn nach oben sausen ließ, wo er mit erschauderndem Japsen zur Oberfläche durchstieß. Irgendwie wühlte er sich über ein Bündel Schwimmbojen und hielt seinen Mund knapp über Wasser, als er frische Luft einsog. Ich lebe, erkannte er verblüfft. Ich lebe.
Das Dröhnen in seinen Ohren maskierte das Rufen von Männern, die auf der Congo zuschauten und erst jetzt die Lage zu erkennen begannen. Crat war sich undeutlich bewußt, daß selbst diejenigen, welche jetzt mutig ins Wasser sprangen, nie imstande sein würden, rechtzeitig genug das wirre Netz zu durchqueren, um einige noch zappelnde Gestalten in der Nähe zu erreichen.
Sobald er seine Arme und Beine wieder bewegen konnte, wandte Crat sich unsicher dem nächsten kämpfenden Überlebenden zu, der wahrscheinlich schon in den Krallen des Klabautermanns steckte. Also tat er das einzige, was er konnte. Er klemmte sich einige Schwimmbojen unter einen Arm und schob sich durch das dazwischenliegende Gewirr, um das Haar des sterbenden Mannes zu packen. Er zog ihn hoch, damit er Luft holen könnte. Danach kam jeder Atemzug wie ein schrilles Pfeifen… bis die Augen des armen Kerls sich aus dem drohenden Coma bis zu Hysterie klärten. Es war gut, daß die Arme des Opfers noch verklemmt waren, sonst hätte er Crat mit sich in die Falle ziehen können.
Crat selbst atmete stoßweise keuchend, als er Reserven aufrief, die er noch nie in sich gekannt hatte. Es war schon schwer genug, den eigenen Kopf über dem plätschernden Wasser zu halten. Er mußte auch noch den nachlassenden Spritzern anderer, in der Nähe sterbender Männer ausweichen. Ich kann ihnen nicht helfen… Ich habe alle Hände voll zu tun.
Crat merkte, daß in der Nähe sich eine andere Gestalt näherte, um ihn anzuschauen. Wieder dieser Delphin. Ich möchte, jemand erschösse den verfluchten…
Dann erinnerte er sich an jenen Schubs gegen seinen Hosenboden. Den Schubs, der ihm das Leben gerettet hatte.
Sein Geist war zu träge und zu verschwommen, um daneben noch an vieles andere zu denken. Sicher wurde er nicht so klar, daß er sich bei dem
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