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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Impulsivität, um menschliche Angelegenheiten zu lenken. Aber Vernunft und Logik hatten auch ihre Grenzen, etwa dann, wenn man überhaupt keine Daten hatte, nach denen man sich richten konnte. Oder wenn die Daten von einer Art waren, mit der kein Ingenieur etwas anfangen konnte.
    Wir besitzen viele Fähigkeiten, dachte sie während einer Ruhepause, als Alex die letzten Krümel des Proteinriegels mit ihr teilte und sie dann die Verpackung mit ihrer trockenen Zunge ablecken ließ. Manche Fähigkeit setzen wir fast nie ein.
    Wenn zu den ihren nur auch das Auffinden von Wasser gehören würde! Gelegentlich hörten sie etwas, das nur plätschernde Flüssigkeitstropfen sein konnten, irgendwo jenseits der Reichweite von Alexens Brille – das oft quälend hinter einer Felswand ertönte. Wenn man das Ohr gegen eine glatte Fläche drückte, konnte man manchmal sogar das entfernte Rauschen und Gurgeln des Flusses hören oder vielleicht eines anderen, der sich durch diese verborgenen unterirdischen Gebiete hinzog.
    Manchmal während ihrer nächsten Marschstrecke hörte sie, wie Alex Luft schnappte, wenn er vor etwas zurückwich, das er als ›bodenloses Loch‹ beschrieb. Teresa behielt die Ruhe, wenn er sie um eine unsichtbare Falle führte, die für sie beide zum Grab geworden wäre, wenn er sie nicht rechtzeitig bemerkt hätte.
    Sie rasteten wieder auf der anderen Seite. Hunger und Durst waren längst heftig geworden und begannen danach zu dumpfen, vertrauten Schmerzen abzuklingen. Aber das machte Teresa weniger Sorgen als ihre zunehmende Schwäche. Nach einigen weiteren Rastpausen würde sie vielleicht nicht wieder aufstehen können. Würden ihre Körper dann austrocknen und mumifiziert werden? Oder war die Trockenheit etwas Persönliches? Vielleicht würde nach ein paar Monaten ein langsames mineralreiches Sickerwasser wieder zu diesen Passagen kommen und ihre Körper an die Felsen kleben, wo sie saßen, um ihre Krypta zu versiegeln und ihre Gebeine zu versteinern. Oder ein launischer Frühlingsgießbach könnte durch diese Strecke tosen, ihre Überreste zermalmen und auflösen und dann die Stücke bis in ferne Meere tragen.
    Vielleicht würde die Zeit nicht ausreichen, daß irgend etwas davon geschähe. Es war noch durchaus möglich, daß Spivey und Hutton die Kontrolle über die Beta-Singularität verlören. In diesem Falle würde sich auch der Berg, der sie jetzt als Grab umgab, nicht fester erweisen als ein Haus aus durchweichtem Papier. Die Distanz zwischen Teresa und ihren Freundinnen in der Außenwelt schien jetzt eben unendlich groß zu sein; sie würde aber akademisch werden, wenn das taniwha seine gierige endgültige Reife erlangte und alle ihre Atome sich in einer jähen, intimen und topologischen Union vereinen würden.
    Teresa fragte sich, was für ein Gefühl das sein könnte. Es klang irgendwie attraktiv, wenn sie die unmittelbare Aussicht auf den Hungertod betrachtete. Wurden andere Forscher auch so philosophisch, wenn sie sich dem Ende näherten?
    Sie fragte sich, ob Wegener in Grönland oder Amundsen in der Arktis über die Launen des menschlichen Schicksals nachgedacht hätten, als auch sie jenseits aller realistischen Hoffnung gestrandet waren. Vielleicht ist das, mehr als Schläue, unsere geheime Kraft gewesen, dachte Teresa, als sie und Alex sich wieder bewegten und eine andere Abzweigung wählten. Selbst wenn man keine Hoffnungen mehr hat, sind immer noch Möglichkeiten zu erwägen.
    Aber nach einiger Zeit versiegte selbst dieser tröstliche Gedankengang. Ermüdung senkte sich über sie wie ein erdrückendes Gewicht, das dankenswert die Pein zahlloser Stöße, Schnitte und Kratzer dämpfte. Ihre Kniepolster hätten schon seit einiger Zeit verlorengegangen sein können oder nicht; denn sie konnte von diesen Stellen kaum noch etwas fühlen, wenn sie durch enge oder schräge Engstellen kroch oder sich seitlich zwängte. Alles, was ihre Aufmerksamkeit noch in Anspruch nahm, war der Rhythmus. Und eine Hartnäckigkeit, die kein Ende nehmen wollte.
    Ohne Vorwarnung blieb Alex plötzlich stehen. Durch die Hand auf seinem Arm fühlte sie, wie ein Zittern durch seinen ganzen Körper lief. »Komm her, Rip!« drängte er in einem heiseren Flüstern, zog sie neben sich und dann zu einer schrägen Felsplatte hinüber. Als sie auf dem kühlen Stein Platz genommen hatte, spürte sie, wie er ihren Kopf in seine Hände nahm und etwas nach links unten drehte. »Ich kann es nicht sagen«, erklärte er mit trockener

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