Erde
welche den Eindruck eines tief vergrabenen Eremitenschreins erweckte. Einen Augenblick erinnerte sie sich an Holos der Höhlen von Lascaux und Altamira, wo ihre Vorfahren der Cro-Magnon-Zeit bei Fackelschein herumgekrochen waren, um die Wände mit spukhaften Bildern von Tieren und Geistern zu bemalen, und Ockerstaub auf die Hände bliesen, um scharfe Abdrücke auf den kühlen Stein zu machen -Markierungen für das einzige, was sie und jene engstens gemeinsam hatten… Sterblichkeit.
Teresa befragte ihren Kompaß – obwohl solche Dinge untertage notorisch unzuverlässig waren. Dann nahm sie Alexens Hand, um ihn in die einzig mögliche Richtung zu führen, weg von dem brausenden Fluß in das Herz des Berges.
So wechselten sie sich ab, machten öfters eine Ruhepause und waren mal Führer, mal blind und hilflos. Teresa wurde mit den Konturen seiner Hände recht vertraut, und ihre Schritte nahmen allmählich fast den gleichen unterbewußten Rhythmus an.
Um die Zeit zu verbringen, bat Alex sie, ihm von ihr zu erzählen. Also sprach sie über ihre Schuljahre und dann ihr Leben und Jason. Irgendwie schien das jetzt leichter zu sein. Sie konnte von ihrem Mann in der Vergangenheitsform mit Trauer, aber ohne Schamgefühl reden. Teresa erfuhr auch etwas über Alex Lustig, wenn er an der Reihe war. Ein paarmal rutschte das zwischen die Zeilen, wenn er ihr von seinem Leben als unverheirateter Gelehrter erzählte. Teresa wunderte sich auch, ein wie viel besserer Geschichtenerzähler er war. Es ließ seine Bemühungen vor Wandtafeln oder Holoschirmen viel romantischer erscheinen, als ihren Beruf als Pilotin eines Raumtransporters.
Natürlich lief ihre Konversation ziemlich ruckweise ab. Jeder dritte Satz war eine Unterbrechung. »Linken Fuß anheben…« oder »den Kopf ein halbes Meter ducken…« oder »…jetzt zur Seite drehen und nach einem Einschnitt rechts tasten…« Sie beide lösten sich ab mit verbaler Führung und häufiger physischer Kontrolle des anderen. Das war eine große Verantwortung, die gegenseitiges Vertrauen verlangte. Das kam sie erst hart an. Aber es gab einfach keine Alternative.
Während Teresa gerade wieder einmal die Führung hatte, fühlte sie einen vorübergehenden Luftzug, als sie durch eine enge Passage krochen. Sie wandte den Kopf. Aber obwohl der leichte Zephir nicht mehr da war, schnupperte sie und runzelte die Stirn.
»…so war das, als Stan mir sagte, ich sollte lieber mein…«
Sie gebot ihm Schweigen, indem sie mit dem Fuß stampfte und den Griff an seiner Hand verstärkte.
»Was ist los, Teresa?« Sie hörte und fühlte, daß er sich umdrehte. »Bist du müde? Wir können…«
Sie hielt die freie Hand hoch, um Ruhe zu erbitten, und er hielt den Mund.
Hatte sie wirklich etwas gespürt? War es deshalb, weil sie blind war und mehr auf die anderen Sinne achtete? Wäre sie einfach weitermarschiert, wenn sie die Führung gehabt hätte? »Alex«, fing sie an. »Auf welcher Seite des Gangs war auf Georges Karte die nächste Abzweigung?«
»Hm… wie ich sagte, bin ich nicht ganz sicher. Ich denke, es war links, vielleicht vier Kilometer hinter dem See. Aber wir sind bestimmt noch nicht so weit gegangen… Oder doch?« Er machte eine Pause. »Glaubst du, daß wir daran vorbeigegangen sind?«
Teresa schüttelte den Kopf. »Es war ein Hasardspiel, aber die Brise war von links gekommen…«
Es gab allerdings immer Brisen, kleine Windstöße, die von wer weiß wo die Höhle herunterbliesen auf dem Weg nach Stellen, die unmöglich zu erraten waren. Aber immerhin schien etwas in ihrem inneren Leitsystem dieses letzte Mal angesprochen zu haben.
»Hat George eine Notiz bei der Wendung gemacht?«
Sie hörte ihn tief Luft holen und stellte sich vor, wie er die Augen schloß, als er sich konzentrierte. »Ja… ich glaube, ich sehe eine Schrift… meinst du, es war so etwas wie ›Achtet auf den Schädel und die Knochen!‹?«
Sie stupste ihn genau auf die Schulter. »Au!« knurrte er befriedigt.
»Nein«, sagte Teresa. »Aber die Wendung muß unauffällig gewesen sein. Schließlich gibt es auf dem Weg keine deutlichen Abzweigungen. Das ist nicht üblich.«
»Wohl nicht. Vielleicht hat er es darum geschrieben… wie man sich danach umsieht. Hast du…«
Sie zog an seinem Handgelenk. »Los, komm!«
»Warte! Sollte ich dir nicht die Bril…«
Er taumelte und blieb eben noch stehen, als sie ihn rein aus dem Gedächtnis durch die extreme Finsternis führte, wobei sie einen Arm vor sich
Weitere Kostenlose Bücher