Erde
Stimme. »Ist da oben etwas?«
Teresa zwinkerte. Inzwischen hatte sie sich an die Flecke und entoptischen Blitze gewöhnt, die die Netzhaut auch in völliger Dunkelheit zu ›sehen‹ scheint -Lügen, die die Augen verkünden, um vorzugeben, als hätten sie noch etwas zu tun. Daher brauchte sie einen Augenblick, um zu erkennen, daß einer jener Schimmer die gleiche vage und unscharfe Kontur beibehielt, in welche Lage sie sich auch neigte. Teresa biß sich scharf auf ihre rissige Oberlippe, damit der Schmerz sie etwas aufrütteln sollte. Mit einer durch Durst rauhen Stimme fragte sie: »Hm… soll ich es auskundschaften?«
»Nein, natürlich nicht!« antwortete er mit heftigem Sarkasmus. Er drückte ihre Hand, ehe er sie einen Kanal hinabzuführen begann, in dem eine Art von Staub lag, der ein starkes, modriges Aroma hatte.
Teresa atmete ein und begriff schließlich, was an dem Geruch so anziehend war. Er war sehr kräftig, und sie konnte nur hoffen, daß ihre Vermutung zutraf, daß nämlich der auf sie zukommende Geruch von der dicken Schicht der Exkremente kam, die endlose Generationen fliegender Säugetiere hinterlassen hatten… Tiere, die ihre Zuflucht unter der Erde hatten, ihr Leben und Jagdgebiet aber draußen unter freiem Himmel.
Sie folgten dem schwachen Schimmer um mehrere Runden und Ecken, bis Teresa die schwachen Konturen von Wänden und Säulen ausmachte, die sich zuerst nur in schwachen Tönungen von Schwarz abhoben, aber dann Spuren von Grau und Sepia zeigten, die allmählich hie und da ein Detail erkennen ließen.
Bald merkte sie, daß sie nicht mehr so viel Hilfe von Alex brauchte, um ihren Weg zu finden. Sie entdeckte Hindernisse auf große Entfernung, die noch meterweit weg waren.
Sehen… eine wundervolle Sensation.
Danach mußten sie noch mehr Schritte abwärts machen und darauf achten, in ihrer Eile keinen verhängnisvollen Fehler zu machen. Aber schließlich kamen sie zu einer Stelle, wo der Boden eben wurde und überhäuft mit einem Teppich aus kleinen Knochen, die unter ihren Füßen knirschten. Jetzt konnten sie zu ihren Köpfen Tausende brauner, zusammengefalteter Gestalten erkennen, die von jeder Spalte und Lücke herabhingen.
Die Bewohner der Höhle nahmen von ihnen wenig Notiz. Eingehüllt in ihre Flügel verschliefen sie den Tag.
Tag. Teresa kniff die Augen zusammen und mußte eine Hand hochhalten, um die Blendung zu verdecken, die direkt von einer letzten Höhlenwand ausging – die sich gegenüber einer Lichtquelle befand, die heller war als alles, was sie sich je vorgestellt hatte. Es tut mir leid, daß ich an dir gezweifelt habe, sagte sie der Sonne und erinnerte sich, wie sie in ihrem Traum gemeint hatte, daß diese je einen Rivalen haben könnte.
Alex nahm die schmierige Brille ab, und sie schauten einander an. Sie brachen in stilles Grinsen aus darüber, wie dreckig, schrecklich, zerschlagen und doch wundervoll sie aussahen, indem sie noch am Leben waren.
Sie hielten sich aus reiner Gewohnheit immer noch an den Händen, als sie endlich durch das Gebüsch krochen, das den Höhleneingang bedeckte, und sie in einen Morgen hinaustraten, der erfüllt war von Wolken und Bäumen und einer Myriade anderer schöner Dinge, die zu herrlich waren, als daß man sie je wieder für selbstverständlich halten könnte.
¤ ACHTUNG! Sie sind von einer ganz besonderen Suchroutine des Netzes als Ziel gewählt. Bitte, löschen Sie diese Mitteilung nicht! Sie kommt aus der Weltassoziation des Mahayanabuddhismus, eines der größten Orden in der Geschichte. Und daß Sie ausgewählt wurden, sie zu empfangen, war kein Zufall. Dies ist ein Experiment, eine Verschmelzung moderner Wissenschaft und alter Wege bei unserer anhaltenden Suche nach gewissen ganz besonderen Personen.
Was wir suchen, sind Tulkus… reinkarnierte Wesen, die in vergangenen Leben asketische, erleuchtete Männer und Frauen oder Bodhisattvas waren. In früheren Tagen war ein solches Suchen auf eine Reise von wenigen Tagen durch unsere Klöster im Himalaya beschränkt. Aber kürzlich hat man Tulkus in der ganzen Welt gefunden, wiedergeboren in jeder Rasse, jeder einheimischen Kultur und Religion. Es ist Anlaß zum Jubeln, wenn jemand entdeckt wird und ihm dadurch zur vollen Erkenntnis seiner oder ihrer Kräfte verholfen wird.
Selbst wenn Tulkus ihr Leben unerkannt verbringen, ihrer Vergangenheit nicht bewußt oder sogar skeptisch gegenüber unserer Welt, werden sie trotzdem oft sehr verdienstvolle Lehrer oder Heiler.
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