Erde
Durchbrüche. Behaupteten, daß Eliza ihr Leben verändert hätte.«
Nelson schüttelte den Kopf. »Ich vermute, mit Elspeth ist es genauso. Aber…« Er verstummte.
»Aber Elspeth machte doch einen sehr realen Eindruck, nicht wahr?«
»Neugieriges Weibsstück«, murmelte er in seine Teetasse.
»Wen meinst du, Nelson?« fragte Jen sanft. »Das Programm oder mich?«
Er stellte die Tasse schnell hin. »Oh, das Programm! Ich meinte, daß sie… es mir immer nachsetzte und meine Worte auseinandernahm. Dann war dieser… hm… Teil mit freien Assoziationen…«
Er erinnerte sich an das lächelnde Gesicht im Holotank. Es hatte so harmlos gewirkt, wenn es ihn bat, das erste Wort oder den ersten Satz auszusprechen, der ihm in den Sinn käme. Dann das nächste und wieder das nächste. Es ging viele Minuten lang so weiter, bis Nelson sich von dem Strom erfaßt fühlte, und die Worte schneller herausflossen, als er ihrer gewahr wurde. Wenn dann die Sitzung vorüber war, zeigte Elspeth ihm jene Karten – die die unwiderlegbaren Muster seiner unterschwelligen Gedanken aufzeigten und ein Gemisch widerstreitender Emotionen und Obsessionen beschrieben, das dennoch seine Geschichte zu erzählen begann.
»Nach Hypnose ist es die Zweitälteste Technik in der modernen Psychologie«, sagte ihm Jen. »Manche bezeichnen freie Assoziation als Freuds größte Entdeckung, die manche seiner schlimmsten Irrtümer fast wettmacht. Diese Technik läßt alle die kleinen Ichs in uns sich aussprechen, verstehst du? Ganz gleich, wie gründlich ein Stückchen oder eine Ecke in uns von dem Rest überstimmt wird, freie Assoziation läßt es in das zufällige Wort oder einen Hinweis schlüpfen.
Tatsächlich treiben wir auch im alltäglichen Leben freie Assoziation. Unsere kleinen Unter-Ichs äußern sich in Versprechern oder Schreibfehlern oder in jenen plötzlichen, anscheinend irrelevanten Phantasien oder Erinnerungen, die einem einfach in den Kopf kommen wie aus dem Nirgendwo. Oder Bruchstücke von Liedern, die du seit Jahren nicht mehr gehört hast.«
Nelson nickte. Er fing an zu verstehen, worauf Jen hinauswollte, und fühlte sich höchst erleichtert. Also hat all dies doch etwas mit meinen Studien zu tun. Ich befürchtete, sie wollte mich mit diesem Programm konfrontieren, weil sie dachte, ich wäre verrückt.
Nicht, daß er sich seines mentalen Gleichgewichts noch ganz sicher fühlte. Diese eine Sitzung hatte so viele Nerven bloßgelegt und so viele Stellen, wo es schmerzte. Kindheitserinnerungen, die er für recht normal hielt, die ihm aber eigene bleibende Wunden zugefügt hatten.
Er schüttelte den Kopf, um diese trüben Gedanken zu verscheuchen. Ein jeder muß mit solchem Dreck fertig werden. Sie würde keine Zeit auf mich verschwenden, wenn sie dächte, ich wäre nicht normal.
»Sie sagen mir, daß dies mit Kooperation und Wettbewerb zusammenhängt«, sagte er, sich auf das Abstrakte konzentrierend.
»Das ist richtig. Alle die gängigen Bewußtseinstheorien über Vielfalt des Intellekts stimmen darin überein, daß jeder von uns zugleich viele und eins ist. In diesem Sinne sind wir Menschen höchst universelle Wesen.«
Offenbar hatte sie gerade einen Scherz gemacht, der völlig über seinen Kopf ging. Zum Glück wurde die Sitzung durch seine Datentafel aufgezeichnet, und er konnte ihrem obskuren Hinweis später nachgehen. Nelson wollte sich nicht ablenken lassen. »Also habe ich in mir… was? Einen Barbaren und einen Kriminellen und einen Sexbesessenen…«
»Und einen Gelehrten und einen Gentleman und einen Helden«, stimmte sie ihm zu. »Und vielleicht einen künftigen Gatten und Vater und Anführer. Obwohl nur noch wenige Psychologen sagen, daß solche Metaphern wirklich genau sind. Die innere Landschaft des Geistes zeichnet sich nicht direkt auf den formalen Rollen der Außenwelt ab. Zumindest nicht so direkt, wie wir zu denken gewohnt waren.
Auch sind die Grenzen zwischen unseren Unterpersonen nicht immer so scharf oder klar. Nur in speziellen Fällen wie geteilte Unordnung der Persönlichkeit werden sie zu dem, was du oder ich klare Charaktere oder Persönlichkeiten nennen würden.«
Nelson dachte darüber nach – die Unstimmigkeiten in seinem Kopf. Bis er nach Kuwenezi gekommen war, hatte er sie kaum bemerkt. Er hatte immer geglaubt, eben der eine Nelson Grayson zu sein. Dieser Kern-Nelson existierte immer noch. Er fühlte ihn sogar stärker denn je. Aber gleichzeitig war er besser darin geworden, auf das Ferment
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