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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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schwenkte, um das schwer zu bemerkende Flüstern wieder zu finden.
    »Alex!« Sie blieb so jäh stehen, daß er mit ihr zusammenstieß. »Schau nach rechts oben! Was siehst du?«
    »Ich sehe… ja, da ist wirklich eine Öffnung. Aber wie kannst du…«
    Sie wischte seine Einwände beiseite. Sie hatte ein gutes Gefühl. Ihr innerer Kompaß, ihr stets nervöser und nie befriedigter Richtungssinn… riefen sie auf diesen Weg. Sie unterdrückte eine Stimme des Zweifels, die sagte, daß sie sich an Strohhalme klammere. »Machen wir einen Versuch! Okay? Soll ich dir einen Schubs nach oben geben? Oder möchtest du, daß ich vorangehe?«
    Alex stöhnte, als ob er sagen wollte: Was haben wir zu verlieren?
    »Vielleicht gehe ich besser, Teresa. Diesen Weg. Wenn er sich als echte Passage erweist, kann ich hinablangen und dich hochheben.«
    Sie nickte zustimmend, beugte sich vor und verschränkte ihre Finger, um eine Stufe zu bilden. Er nahm sie sanft bei der Taille und drehte sie herum. »So, das ist besser. Bist du bereit?« Er stellte einen Fuß in ihre Hände.
    »Fertig? Machst du Spaß?« fragte sie, als sie sich anspannte. »Ich bin zu allem bereit.«
     
    Selbst nachdem sie eine gewisse Strecke auf dem steilen und gewundenen Weg zurückgelegt hatten, wobei sie halb krochen und halb durch schräge Kamine und enge Spalten rutschten, lehnte Teresa sein Anerbieten ab, sich die Brille zu teilen. Er machte sich als Führer gut, und sie führte als Entschuldigung an, daß sie in diesem Chaos keine Übergabe riskieren könnten. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Brille hinfiele; und sie könnten ausrutschen oder außer Sicht stolpern, um nie wieder gefunden zu werden.
    Aber in Wahrheit empfand Teresa gerade jetzt ein seltsames Verlangen, nichts zu sehen. Das war eigenartig und für sie selbst schwer zu erklären. Warum sollte sie gern dahinstolpern und mit wedelnden Händen im Dunkeln tasten, völlig voneinander abhängig gewarnt zu werden, wenn ein niedriger Überhang nur Zentimeter von ihrer Stirn entfernt war? Oder ein Abgrund vor ihren Füßen gähnte?
    Und dennoch hielt sie zweimal an, um zu verhindern, daß Alex eine Route nahm, die nach Sicht einleuchtend erschienen sein mußte – als breiterer oder flacherer oder leichterer Weg –, und drängte ihn statt dessen auf eine andere Route. Die meiste Zeit kletterten sie, und obwohl Teresa wußte, daß es keine Garantie gegen eine Sackgasse gleich um die nächste Ecke gab, so bedeutete die Richtung nach oben mindestens, daß sie nur mit einem Berg zu kämpfen hatten, und nicht mit einem Planeten von zwölftausend Kilometern Durchmesser.
    Dies kann nicht mehr George Huttons Route sein, wurde ihr nach einer Weile klar. Es hätte nicht so viele Abzweigungen und so viele enge, gewundene Kriechstrecken auf der Karte geben können, die sie verloren hatten. Alex merkte das sicher ebensogut, sagte aber nichts. Sie wußten beide, daß sie sich nie erinnern würden, wie der Rückweg verlaufen würde. Anstelle der leichten Neckereien noch vor einer Stunde (oder waren es vier Stunden? Sechs? Vierzehn?) trat knappes, heiseres Flüstern, als sie ihre Kraft sparten und nicht an ihren zunehmenden Durst zu denken suchten.
    Sie bahnten sich nun ihren eigenen Weg… gingen zu Stellen, die noch kein Höhlenforscher je gesehen haben mußte. Teresa sah sie natürlich nicht einmal jetzt, aber das spielte keine Rolle. Die Strukturen waren nach jeder Biegung anders. Unter ihren Fingerspitzen wurde sie mit vielen verschiedenen Arten von Gestein vertraut, ohne daß entsprechende Namen oder Bilder die vollkommene Realität verdarben. Substanz, unbefleckt durch Metaphern.
    Alex traf die taktischen Entschlüsse – Schritt um Schritt, Meter um Meter, durch kleinmaßstäbliche Entscheidungen, wie Fuß, Knie oder Hand jedesmal bewegt werden mußten. Er sagte ihr: »Paß auf deinen Kopf auf! Bück dich etwas mehr! Wende dich jetzt nach links! Greif nach links oben! Höher! Das ist es.«
    Kein einziges Mal klang in seiner Stimme ein Vorwurf an, daß sie ihn auf diesen Weg geführt hatte… eine blinde Frau, die einen Augenblick vage himmelwärts deutete, dann woanders hin und sie möglicherweise im Kreis führte. Man erwartet von mir Wissenschaftlichkeit als einem geschulten Ingenieur. Was mache ich da, wenn ich unser beider Leben bloßen Ahnungen anvertraue?
    Teresa schlug die Bedenken in den Wind. Gewiß hatten Logik und Vernunft Vorrang. Es gab weitaus weisere Wege als die alte Hexenkunst und

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