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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Bloß hier zu sitzen war gefährlich. Obwohl Kendas Klopfer jetzt außer Tätigkeit war, war es ein schreckliches Risiko, ihn nur wenige Meter entfernt als passiven Detektor zu benutzen. Wie, wenn der Greuel – wer auch immer es war – das schwache Echo der Maschine aufnahm? Das Schicksal der Osterinsel sollte nie das seine werden.
    War es also Neugier, das ihn hier hielt, anstelle den Zylinder zu zerschlagen und zu fliehen? Oder war es die Bitte der alten Dame gewesen, ihn angestellt zu lassen, bis sie stürbe? Nun, sie ist schon einige Zeit tot, dachte er. Der Leichnam unter einer Persenning hinter ihm, als er ihn fand. Verzerrt und entstellt, aber immer noch mit ihrer Konsole verbunden. Ich bin ihr jetzt nichts schuldig. Ich könnte mit einem Hammer an den Klopfer gehen und…
    Und was? Die Oberflächenwelt war bestimmt kein sicherer Platz. Kenda und die anderen könnten schon jetzt tot sein, wenn dieser Teil Afrikas schon als Ziel für Ausmerzung gedient hätte. Unwahrscheinlich, da brodelnde Städte und Militärbasen bisher die Hauptopfer zu sein schienen. Aber es war doch nur eine Frage der Zeit.
    Also hierbleiben? Wenn ich die Maschinen zerstöre, könnten mich die Todesengel gänzlich vergessen. Aber das war doch ein deprimierender Gedanke. Gewiß, es gab genug Nahrung für Monate. Andere isolierte Schnipsel der Menschheit könnten ebenso ›glücklich‹ sein und es in Schlupfwinkeln und Verstecken noch einige Zeit aushalten, nachdem der Drache gewonnen hätte. Aber da fragte sich Jimmy, ob er nicht doch mit Kenda und allen andern seine Chance hätte suchen sollen.
    Er war so tief in Selbstmitleid versunken, daß es einige Augenblicke dauerte, bis er einen neuen Ton hörte, ein leichtes Summen, das sich verstärkte, als in der ganzen verlassenen Halle Maschinen lebendig wurden. Er blickte auf und machte ein erstauntes Gesicht, als der hohe Kristallresonator sich in seinen Lagern drehte und einen ansteigenden Ton von sich gab. »Was, zum Teufel…«, fragte er und stand auf. Dann, in voller, entsetzter Erkenntnis: »Nein!«
    Er lief zur zentralen Kontrollstelle, wo sich der Hauptschalter befand. Aber als er hinlangte, sagte eine Stimme ihm ruhig:
     
    (E)»BITTE, JIMMY, BLEIB WEG UND LASS MICH MACHEN. SEI EIN BRAVER BURSCHE.«
     
    Was ihn aber wirklich zum Innehalten veranlaßte, war das kurze, fast tachistoskopische Bild eines Gesichts, das vor ihm aufblitzte und dann wieder verschwunden war.
    »Aber ich dachte, Sie wären tot!« flüsterte er heiser. Und als dann keine Antwort kam, rief er: »Lassen Sie mich wenigstens helfen!«
    Während sich die schlafenden Maschinen um ihn aufwärmten, kam das momentane Gesicht zurück, und er erkannte, daß es die Frau, deren früherer Körper ein paar Meter entfernt zugedeckt dalag, war und zugleich nicht war.
     
    (E)»ALL RIGHT, KIND. ICH WUSSTE, DASS ICH AUF DICH ZÄHLEN KONNTE.«
     
    Im realen Leben hatten sie im ganzen vielleicht etwa hundert Worte gewechselt. Und dennoch wunderte Jimmy sich nicht einmal, weshalb ihr Lob ihn so erfreute. Alles, was er tat, war der Sprung an seine alte Arbeitsstation. Er ließ rasch alle diagnostischen Checks durchlaufen und stellte das Gerät, welches sie brauchte, fein ein – ihre Verbindung zwischen den Welten oben und unten.
    Bald erreichte das Summen einen konstanten hohen Ton. Danach gab das Gerät mit dem Dröhnen von Gezeitenkraft einen Schuß ab.
    ¤
    In Bethäusern und Kirchen, in den Meditationslichtungen der NoAm GaKis, unter den schrägen, handgeschnitzten Dächern der Hinemarama-Gesellschaft, von Kathedralen und zahllosen Wohnungen erschallen Gebete.
    »Mutter, hilf uns!«
    Im Netz verbleiben noch Inseln des Zynismus. Es wird Partei ergriffen. Sogar Wetten werden abgeschlossen. Drache gegen Tiger – zehn zu eins.
    Aber zum größten Teil hält sich die überlebende Masse der Menschheit zurück und betrachtet ängstlich ihre Holos, während die jetzt einseitige Schlacht anschwillt. Inzwischen schauen die Leute zum Horizont und auf jedes seltsame Flimmern oder Kräuseln in der Luft. Furchtsam erwarten sie den ersten Schmerzensschrei oder jegliche andere Ankündigung, daß die Schnitter des Todes eingetroffen sind.
    Nordamerika wird von einem neuen Schlag getroffen.
    Wieviel mehr noch? fragt das Volk den Himmel. Wieviel mehr kann unsere arme Welt noch ertragen?
    •
    »Papa!« schrie Claire, als das Haus von Beben erzitterte. Ihre Füße rutschten weg, und sie glitt die Dachziegel hinab. Logan hielt sich mit

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