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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Herausfordernd, wenn die Größen der Kartons schlecht passen, aber berechenbar. Wie ein Spiel auf »difficult«. Es gibt Kraft und macht den Rücken gerade. Jemand dreht das Radio lauter.

    Nach einer Stunde – ich habe bereits drei Wände sauber gestapelt und fühle mich durchflutet von Packfreude – rammt Martin mir einen Riesenkarton vor die Füße. Ich greife kraftvoll in die Packstrapse, als im Radio »Every Breath You Take« ertönt.
    Zack! Caterina-Bilder. Wie sie geguckt hat, als wir nach der Ankunft in Großbärenweiler vor dem Fachwerkhaus standen, das Hartmut blind gekauft hatte. »Fast schon wieder interessant«, nannte Caterina die gruselige Ruine, als ihr noch nicht klar war, dass wir bereits da waren und vor unserer gemeinsamen Zukunft standen. »Die haben Risse im Gebälk groß wie Seemanns-Schenkel!« Den Satz habe ich mir auch gemerkt. Und wie sie flüchteten, unsere beiden Frauen, vor der Ruine und den toten Ratten, zu ihrem Untervermieter Pierre, einem kultivierten Pianisten mit frischer Marmelade, und ich besorgte mir einen Job im örtlichen Getränkemarkt, und Caterina rief mich zwischen den Kästen auf dem Handy an und verführte mich dazu, mit ihr in Hörweite der Kundschaft Telefonsex zu machen.
    »Au!« Martin wirft mir das nächste Paket in die Kniekehlen, und ich knicke um, als wäre Nestors Phantasie wahr geworden und ein wildgewordener Spieler hätte hier im Hänger bei mir eine Blutgrätsche angesetzt. Ich klage nicht, ich bleibe einfach liegen. Stolle stoppt das Band. Das Warnsignal ertönt.
    »Was ist denn jetzt wieder?«, fragt er Martin und betrachtet mich, zerschunden zwischen den Paketen.
    »Er rührt sich nicht mehr«, sagt Martin.
    Stolle rüttelt an meiner Schulter. »Bist du bewusstlos?«
    »Nicht mal Telefonsex können wir machen, weil sie vom Oberdeck aus anrufen muss. Oder wenigstens einen Boten zu mir nach unten schicken. Zwischen die Kartoffelsäcke.«
    »Jetzt ist er verrückt geworden«, sagt Martin.
    »Steh auf«, ächzt Stolle und zieht mich dabei hoch. »Erkan, komm hier rüber, ablösen! Das Band wieder an!!!«
    Jemand schaltet das röhrende Gummi ein. Stolle wuchtet mich aus dem Laster. »Tut mir leid«, flüstere ich.
    Stolle fasst mich an den Schultern und klinkt seinen Blick in meinen ein. Seine Pupillen sausen von links nach rechts. »Klär deine Sachen«, sagt er. »Dann kommst du wieder. Du bist mein Christoph Dabrowski. Ich verschachere dich nicht auf dem Transfermarkt, wenn es mal nicht läuft, aber ich kann dich nicht spielen lassen, wenn du nicht einsatzfähig bist. Also klär deine Sachen.«
    »Stolle …«
    Er hebt die Hand, und seine Augen rasten ein, ohne sich auch nur einen Hauch nach links oder rechts zu bewegen.
    »Klär erst deine Sachen.«
    Ich verspreche es ihm, und er löst Augen und Hände.

    »Ich bin wieder da«, rufe ich, während ich die Tür aufschließe, in der Erwartung, dass Nestor an meinem Schreibtisch sitzt und eine Begrüßung zurückflötet. Es hockt aber kein hagerer Workaholic am Rechner, sondern Yannick, der das Stromkabel im Maul hat. Er nagt daran herum wie an einer Lakritzstange und sieht mich an wie ein Junge, der beim Pornogucken erwischt wurde.
    »Wo ist Nestor?«, frage ich ihn, und seine Schwanzspitze berührt beim Schwingen ein Post-it am aufgeklappten Bildschirm: Bin an der Uni .
    An der Uni? Er hat gesagt, seine Doktorarbeit liege auf Eis. Er war seit Jahren nicht an der Uni. Außerdem ist heute Sonntag. Da sind nur sehr wenige Menschen auf dem Campus. Eine gute Gelegenheit, um … oh nein! Das darf nicht wahr sein! »Ich muss weg!«, sage ich. Yannick klagt, da sein Napf leer ist. Ich reiße den Kühlschrank auf, finde auf die Schnelle nur Tomatensoßenthunfisch für Menschen, reiße die Dose auf und kippe sie in die Schüssel. »Halt die Stellung«, hechele ich, ziehe die Tür zu und laufe los.
    Während ich zur Uni renne, denke ich daran, wofür dieser Campus berühmt ist. Er ist das Mekka der Selbstmörder, ein Paradies aus Höhen und Beton. Die Sprungmöglichkeiten sind grenzenlos, von den Rundum-Balkonen der achtstöckigen Gebäude bis hin zu den verschachtelten Ebenen im Hörsaalzentrum oder im Audimax. Überall Todesoptionen. Seit neuestem bieten sich sogar die Parkhäuser an der Ostseite als Möglichkeit des Untergangs an. Alle Einfahrten sind versperrt und geschlossen, denn es herrscht höchste Einsturzgefahr. Zu Fuß kann man jederzeit zwischen Bärenklau und Brennnessel hindurch in die offenen

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