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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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sie schließlich die Augen auf und hob den Kopf, fragte sie mich: »Wie lange bist du schon wach?« Ich Idiot antwortete darauf immer nur »Seit gerade eben« oder »Soll ich Frühstück machen?«, weil ich dachte, dass sich die Wahrheit kitschig und pathetisch angehört hätte: »Seit dem Sonnenaufgang genieße ich das Spiel des Lichtes in deinem Haar, Caterina, sechs Stunden lang, und müsste ich eine Wahl treffen, wie ich die Ewigkeit verbringen möchte, dann so.« Das kann doch kein Mensch sagen. Das klingt wie eine Ballade von Sarah Connor. Aber jetzt würde ich es gerne sagen. Also, wenn Caterina hier wäre. Das Licht spielt aber nicht in ihrem Haar, sondern in dem gräulichen Geschlönz auf Nestors Kopf. Den gestrigen Tag hat er vollständig auf meinem Zimmerboden verschlafen, da der ausgiebige Suff beim Newcomerfestival seinen dürren Körper ausgeschaltet hatte. Ich habe ihn eingeschlossen, bin zur Arbeit gefahren und habe ihn immer noch schnarchend vorgefunden, als ich von der Schicht wiederkam. Nun pennt er nicht mehr, sondern hackt Texte in den Rechner, als müsse er die verlorene Zeit aufholen.
    »Morgen«, sagt er und dreht sich zu mir um, als ich mich aus dem Bett schäle. »Kaffee ist schon durchgelaufen. Oh, da fällt mir ein, dass bei der Post ja noch die Maschine steht, die dringend betextet werden muss.«
    Ich gehe aufs Klo und frage ihn, während es plätschert: »Was ist das eigentlich, was du da machst?«
    »Das ist mein Beruf«, antwortet er und zeigt, als ich aus der Badbox komme, in Richtung Campus. »Theoretisch schreibe ich an der Uni noch meine Doktorarbeit in Literatur, aber praktisch war ich schon seit Jahren nicht mehr da. Praktisch …«, er geht zu meinem Rechner, öffnet den Browser und surft zu Amazon, »mache ich jetzt das! Ach nein, das weißt du ja schon.« Er öffnet weitere Fenster. Accounts bei Lovelybooks, Ciao, Dooyoo oder Buchgesichter. Mehrere Blogs. Foren zu Kochthemen, Autothemen, Sportthemen. Twitterkanäle.
    »Ich habe viele Namen«, sagt er. »Für viele Meinungen.«
    »Und wie geht das?«
    »Ich bezahle Studenten, Hausfrauen oder Arbeitslose dafür, dass sie mir ihre Zugangsdaten und ihre Identitäten vermieten, damit ich als ein einziger Mensch quasi mit tausend Zungen reden kann.«
    Ich muss kurz verstehen, was er mir da erklärt hat, habe es nach fünf Sekunden begriffen und sage dann: »Nein, das meine ich nicht. Ich meine, wie verdienst du Geld damit?«
    »Die Firmen bezahlen mich. Spielefirmen, Plattenlabels, Küchengerätehersteller. Nichts ist heutzutage wichtiger als authentische Texte von echten Kunden.«
    »Soso.«
    »Ja. Bei den einfachen Sachen muss ich sogar absichtlich Grammatikfehler einbauen, damit es echt aussieht. Bei Klassik-CDs natürlich wieder nicht, da benutze ich Wörte wie ›wohltemperiert‹ oder ›gleichsam‹, damit es gebildet klingt.«
    »Und die Firmen befehlen dir, bis wann was im Netz stehen muss?«
    »Genau.«
    »Du kannst das doch alles gar nicht lesen. Oder hören. Oder trinken.«
    »Muss ich auch nicht. Es geht ja nur darum, dass pünktlich zur Veröffentlichung überall was steht.«
    Nestor sieht mich mit weiten Pupillen an, fast eifrig, wie ein Junge, der eine Eins geschrieben hat und die gute Nachricht noch eine Sekunde lang am Esstisch zurückhält. Dann kann er nicht mehr. »Soll ich dir mal zeigen, wie man eine Rezi komplett trocken schreibt?«
    »Trocken?«
    »Ja, trocken. Ohne das Produkt zu kennen.« Nestor schaut sich im Regal meine CDs an. »Hier, Frenzal Rhomb zum Beispiel. Die habe ich nie gehört, okay?« Er hält »Shut Your Mouth« in den Händen. Auf dem wie gezeichneten Cover küsst ein Mann seine Gattin, als er von der Arbeit heimkommt. Sie steht verschämt im Bademantel vor dem Haus, während im Hintergrund ihre paar Dutzend Liebhaber aus dem Fenster flüchten. Er dreht die Hülle um: »Die Plattenfirma ist die von NoFX, das sagt schon mal viel über den Kontext. Melodischer Punkrock, Poppen, Tralala. Es kann aber durchaus sein, dass sie rauer und gröber sind. Das darf ich dann nicht ignorieren.« Seine Nickhaut fährt langsam herauf. »Ich brauche also noch ein paar genauere Referenzen.« Er öffnet eine Seite namens Music-Map, die Landkarte der Musik. Er tippt den Namen der Band ein, und in einer Grafik sirren artverwandte Gruppen um ihn herum. »Je näher dran, desto ähnlicher«, erklärt Nestor. Die Bands, die direkt neben dem Namen kleben, sind Chixdiggit und Mr. T Experience. Etwas weiter außen

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