Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Regnet nicht Pech und Schwefel.«
Er lacht. Knufft mir an die Schulter. Schaltet den Motor an. Der Landrover gurgelt, zwanzig Liter Verbrauch als Sünde auf den Calypso direkt obendrauf, ein Motor wie ein Drachengrollen. Jetzt wippt sogar mein Kopf den Rhythmus mit. Wir werden nicht verdammt. Wir verschwinden nicht. Mein ganzer Körper wippt Calypso, im Rückspiegel den Wald des Todes. Würde Lisa das wollen? Was würde sie wollen?
»Kopf aus, Herz an«, sagt Khaled und kurbelt uns mit knirschenden Reifen auf die nächste befestigte Straße zurück. Seine Augen strahlen weiß und weise. Seine Halsmuskeln spannen die gebräunte Haut. Ich übergebe das Kommando meinen Gliedern, und während die Füße weiterwippen, nehmen meine Finger das Telefon und tippen eine Antwort an Caterina. Mein Kopf ist stark genug, meine Finger daran zu erinnern, wo ich angeblich bin. In Südfrankreich natürlich und nicht an einer KZ-Gedenkstätte auf dem weiten Weg ins ewige Eis. Mehr Einfluss erlaube ich dem Gehirn nicht bei der Arbeit des Herzens. Sie flötet wieder, diese Post, aber sie enthält das erste Mal die Frage, auf die es einzig und allein ankommt: Hast Du denn was von Susanne gehört? Ich vermisse sie so. Mein Kopf erhebt Einwände gegen diesen Bruch der Vereinbarung, aber meine Finger halten das Telefon aus der offenen Scheibe und schleudern die Nachricht in den Fahrtwind, wo sie niemand mehr auf ihrem Weg aufhalten kann.
> Hartmut
< Susanne
Buh-buk!
22. 03. 2011
41° 20′ 34.46″ S, 174° 45′ 33.36″ E
Es ist wärmer, als ich dachte. Hier sollte eigentlich Spätherbst sein. Stattdessen kommt mir ein Schwall subtropischer Hitze entgegen, der mich umhaut nach 32 Stunden Eisluft aus Klimaanlagen.
Ich bin froh, endlich aus den Flugzeugen raus zu sein. Mein Hintern ist völlig platt, und mein Kopf dröhnt nach. Ein paar Stützkniestrümpfe, die ich wegen einer Apothekenwerbung in Heathrow kaufte, kostenloses Wasser im Flugzeug und meine Fähigkeit, überall schlafen zu können, konnten das Schlimmste verhindern.
In der Reihe vor mir gab es über einen längeren Zeitraum regelmäßig Streit, weil sich ein asiatisches Paar von einem jungen Deutschen gestört fühlte, wenn er auf die Toilette musste. Er saß am Fenster, doch sie waren nicht bereit, mit ihm die Plätze zu tauschen. Der junge Mann musste lautes Schnarchen anbetteln, um vorbeizudürfen. Das Schnarchen hörte stets beim ersten Ton auf, aber das Betteln musste mindestens fünf Minuten pro Richtung vollzogen werden. Dann setzte sich der Asiate – laut den Schnodder in der Nase hochziehend – auf und schimpfte auf den jungen Mann ein. Zwischen Wasserabstinenz und kompletter Neuseelandabstinenz, insbesondere für ihn als Deutschen, war jede Empfehlung dabei, in einer Lautstärke, die das gesamte Flugzeug aufrüttelte. Die Frau sage nichts. Sie saß auf ihrem Sitz vollständig zusammengeklappt in eine graue Strickjacke eingewickelt. Nach neun Stunden nahm der Tonfall des Asiaten so bedrohliche Züge an, dass eine Stewardess den jungen Mann in die Business Class einlud. Es wurde geklatscht. Die Flugbegleiterin kam noch mal zurück, lehnte sich weit zu dem asiatischen Paar und sagte sehr bestimmt und sehr leise etwas. In der Reihe vor mir wurde es ruhig. Ich hörte nicht mal mehr ein Schnarchen.
Mit meinem Koffer in der Hand stehe ich nun vor dem Flughafengebäude in Wellington, in Spuckweite zwischen Lyall und Evans Bay. Ich habe Bilder von Surfern auf hohen Wellen im Kopf, sehe hinter einem großen Parkplatz eine Golfanlage und rundum grüne Hügel. Die Filmheimat von Gollum.
Ich brauche ein Zimmer.
»Hey, du hast doch hinter mir gesessen.« Ein breites Lachen schiebt sich in mein Gesichtsfeld. »Ich bin Arne«, sagt das Lachen und zeigt Zähne.
»Ich saß in der Econonomy«, sage ich. Schließlich hat er einen Teil seines Fluges am Ende gratis in der Business Class verbracht.
»Oh Mann, das war vielleicht heftig«, lacht er. »Ich war so froh, dass die Stewardess mir einen anderen Platz gegeben hat. Ich hätte sogar mit einem Notsitz vorliebgenommen. Haben die noch was gesagt?«
»Nein, nachdem du weg warst, war der Typ komplett still. Und die Frau hat ja sowieso überhaupt keine Geräusche von sich gegeben.«
»Komische Leute, oder? Ich komme seit vielen Jahren hierher, und noch nie war jemand so unfreundlich zu mir. Ich meine, der hat ja sogar gesagt, dass ich als Deutscher hier nichts verloren hätte! Für den sind wir Feinde!«
»Hab ich
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