Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
niederländischen Mann Maarten mit ihrer kleinen Tochter Lina. Klingt fast wie Lisa. Sie ist ein paar Monate älter, als Lisa jetzt wäre. Helle Locken stehen ihr kreuz und quer vom Kopf. Ich muss mich anstrengen, nicht neidisch zu werden.
»Na, da bekommt man doch Hunger, oder?«, fragt Arne und hält mir einen Teller mit einem Steak und gegrilltem Gemüse vor die Nase. »Ist das okay?«
»Es riecht köstlich.«
»Komm, setzen wir uns. Steak schneidet sich so schlecht im Stehen.« Er lacht meine Vermieter an und führt mich zu einem Tisch auf der Terrasse, an dem nur noch zwei Kinder sitzen, die sich mit großem Ernst auf ihr Essen konzentrieren.
»Das ist ein bisschen viel, oder?«, fragt Arne.
»Nö.«
»Ach komm, du willst eigentlich deine Ruhe haben, und nun bist du plötzlich von grinsenden Gesichtern umgeben.«
»Na besser, sie zeigen mir die Zähne, weil sie lachen, als wenn sie sie fletschen würden.«
Arne lässt wieder sein Berge erschütterndes Lachen hören.
»Du bist richtig«, sagt er und sieht mich mit viel zu viel Zuneigung an. Er kennt mich doch gar nicht, und zwei Schritte weiter stehen seine Frau und seine Tochter. Jetzt starre ich auch sehr konzentriert auf meinen Teller.
»Früher waren die Māori sehr kriegerisch«, sagt Arne unbefangen. »Die Stämme haben sich wegen der Territorien untereinander bekämpft, und Fremde hatten auch nicht viel zu lachen, bis die Māori deren Feuerwaffen zu schätzen lernten. Ihre Barbecues nach den Kämpfen waren aber immer gut mit Fleisch bestückt.« Und schon wieder ein strahlendes Lachen.
»Kannibalismus?«, frage ich und halte im Kauen inne.
»Ja.«
»Und das hier ist …«
»Rind«, kommt zwischen Arnes Zähnen hervor. Er grinst.
»Hm. Verstehe. Und mittlerweile ist man hier generell so gastfreundlich.«
»Keine Sorge. Das Barbecue richtet Mere aus, weil ich wieder zu Hause bin. Ich war drei Monate in Deutschland.«
»Bei der Familie?«
»Ja, aber auch beruflich. Ehe du fragst … ich bin Ornithologe. Hin und wieder muss ich nach Deutschland, um meiner Uni Rechenschaft abzulegen und ein Blockseminar zu geben.«
Mere tritt von hinten an Arne heran und hält ihm die Augen zu. Er greift nach ihren Händen, schiebt sanft ihre Arme beiseite und ertastet ihr Gesicht. »Ich weiß, wer das ist. Keno! Nein? Olivia? Auch nicht? Dann, ich weiß, ich weiß. Lily! Nicht? Grace, Jessica, Emily?! Puh, dann weiß ich es doch nicht.«
Mere wickelt sich um Arne und hält seinen Kopf so in ihren Händen, dass ihre Stirn und Nase seine berühren. Das, was ich eben als zu viel Zuneigung bei Arne interpretiert habe, schrumpft angesichts dieses Anblicks nun zu freundlichem Interesse zusammen. Ob Hartmut und ich auch so wirkten, wenn wir zusammen waren? Ich merke, wie ich mich entspanne und die kleine Feier plötzlich genießen kann.
Mere sagt etwas in einer Mischung aus Māori und Englisch zu Arne, dreht sich elegant aus seinen Armen heraus und mischt sich wieder unter ihre Gäste.
»Ihr liebt euch sehr«, sage ich und lächle Arne zu.
»Wenn am Anfang einer Beziehung alles schiefläuft, was schieflaufen kann, und man trotzdem zusammenbleibt, ist nichts selbstverständlich. Ich freue mich an jedem Tag meines Lebens, dass es Mere gibt. Und natürlich auch unsere süße Hu.«
Hu steht am Rand des Gartens und dreht eine Haarsträhne. Ein Bein ist angewinkelt und schwingt ein bisschen hin und her. Sie hat ihren Kopf ein wenig zur Seite geneigt und guckt mit großen Augen nach oben in das Gesicht eines hochgewachsenen jungen Mannes, der auf sie herunterschaut, als wäre sie ein Vögelchen, das man beschützen müsste. Arnes Lächeln ist einem erstaunten Gesichtsausdruck gewichen. »Mein Baby«, sagt er leise.
»Ist kein Baby mehr, kann aber welche bekommen«, stelle ich fest und bereue meinen unangebrachten Realismus auf der Stelle.
Noch bevor sein Stuhl ein dumpfes Plock auf der Terrasse machen kann, als er umkippt, steht Arne bereits neben seiner Tochter. Es wirkt sehr charmant, wie er sie von dem jungen Mann wegführt, doch Hu kräuselt die Stirn. Arne hebt den Stuhl wieder auf und schiebt ihn Hu unter den Po. Er setzt sich auf den Tisch. »Huhana, Liebes, ich äh … also, du weißt, wie hart die ersten Jahre für deine Mutter und mich waren. Du bist der Sonnenschein unseres Lebens, aber weißt du, wenn ein Mann und eine Frau sich sehr lieb …«
»Pāpā! Kōkā hat schon längst mit mir über Verhütung gesprochen, und mit dir will ich gar nicht
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