Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
herausgeschrien.
»Macke hatte dafür gar keine Zeit. Er fiel mit 27 – in dem Jahr, in dem er in Tunesien war.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Du bist unglaublich.« Ich gehe zu meinem Schrank, hole meinen Koffer heraus und beginne mit zusammengepressten Lippen zu packen.
Die Frauen auf den Bildern drehen sich wieder um. Sie wollen sehen, wie es weitergeht.
»Natürlich. Weglaufen. Das kannst du gut.« Meine Mutter stöckelt aus ihrem Gästezimmer und schließt sorgfältig die Tür. Sie hinterlässt den Geruch von teurem Haarspray.
»Mensch, Caterina. Du kannst doch bei mir wohnen. Ich würde mich freuen. Keine Sorge – nur freundschaftlich!« Alejandro sitzt mit löchrigen, ausgeblichenen und farbbeklecksten Jeans und einem sauberen olivgrünen T-Shirt bekleidet auf seinem Atelierhocker. Das Shirt schmiegt sich an Oberarme und Schultern, dabei flattert es locker um die Hüfte. Ich muss an Alex O’Loughlin in Hawaii Five O denken.
Durch die großen Fenster, die schon länger keinen Lappen mehr gesehen haben, quetschen sich diffuse Sonnenstrahlen, in denen Staub tanzt. Alejandros Zehen spielen auf dem Boden mit einem kleinen Fetzen dicken Aquarellpapiers. Ich erinnere mich daran, dass Hartmut mir mal erzählte, wie begeistert mein Kuschelbärchen von meinen mit Gras spielenden Zehen war, als ich an der Kemnade gemalt habe.
»Ich habe genug Platz!«, sagt Alejandro eifrig.
Und das stimmt auch. Wir sind hier in einer ehemaligen Stofffabrik. Ein wunderbarer alter Ziegelsteinbau, den Alejandro vor sieben Jahren gekauft hat. Es gab keine Maschinen mehr, aber im Erdgeschoss standen noch ein paar große Regale, die er behielt und nach der Kernsanierung wieder an Ort und Stelle aufbauen ließ. Er hat eine große Werkbank gekauft, sich den ehemaligen Aufseherraum als Büro eingerichtet und die Räume mit Kunst und Leben gefüllt. Überall sind die unterschiedlichsten Materialien und ältere Arbeiten einsortiert. In einer Ecke stehen ein paar aufgezogene Leinwände und angefangene Skulpturen, bei denen er nicht weitergekommen ist. Sie sind ganz friedlich, denn sie wissen, dass auch ihre Zeit noch kommt. An den Wänden hängen vollendete Werke, von denen sich Alejandro nicht trennen möchte. Es ist herrlich inspirierend, in diesem Atelier zu arbeiten, und ich bin die erste Person, die er dazu eingeladen hat.
»Fühlst du dich nicht wohl hier?«
»Doch, natürlich fühle ich mich wohl hier. Es ist ganz wunderbar, hier zu arbeiten.«
»Aber noch besser wäre es ohne mich?« Alejandros Mundwinkel sind sich unschlüssig, ob sie auf schelmisch machen sollen oder ob die Frage ernst gemeint war. Sie entscheiden sich, eine neutrale Stellung einzunehmen.
»Wie kommst du denn darauf? Ohne dich wäre das ganze Atelier verwaist und leer.«
Seine Mundwinkel schnellen nach oben und aktivieren die Augen gleich mit. »Dann nimm doch meine Einladung an! Das Obergeschoss ist genauso groß wie das Erdgeschoss …«
Über mangelnden Platz könnte ich mich wirklich nicht beklagen, wenn man davon absieht, dass das Obergeschoss aus nur drei Räumen besteht: Bad, Schlafzimmer und Rest. Vorwitzig drängelt sich eine Phantasie in mein Bewusstsein: Alejandro kommt mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad, während ich in seinem Bett liege. Er lacht, und ich weiß, dass er jedem Moment seine tropfnassen Haare über mir ausschütteln wird. Wir werden uns kreischend darüber amüsieren und weitergehen. Ich sage der Phantasie, dass sie sich vom Acker machen soll, aber sie lächelt nur. Ehe sie etwas in mir bewirken kann, gehe ich zum Angriff über. Ich will mir vorstellen, dass mich mein Herzchen heldenhaft und auch ein wenig eifersüchtig aus der Situation herausholt. Ich strenge mich an, und es klappt: In meiner Phantasie klopft es an der Tür. Alejandro geht hin und macht auf. Vor der Tür sitzt ein kleines Häschen. So geht das nicht! Ich steige aus Alejandros Bett und gieße mir in der Dusche Eiswasser über den Leib. Die Phantasie wird kleiner und verschwindet. So was.
»Ich lasse ein paar Extrawände einziehen. Das geht schnell. Ich rufe sofort an, und in zwei Tagen sind die fertig. In der Zwischenzeit schlafe ich auf dem Sofa, und du kannst das Schlafzimmer haben.« Alejandro guckt mich fürsorglich an. Spätestens jetzt ist die Phantasie überzeugt, dass sie in Madagaskar bleiben kann. Also da, wo der Pfeffer wächst.
»Ich kann auch das Dachgeschoss fertig machen lassen. Das geht schnell. Es ist ja schon leergeräumt
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