Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
Vom Netzwerk:
wegnehmen!«
    »Wieso das denn, zur Hölle?«
    Mario tastet seinen Jochen besorgt ab, wie ein Kurator vom Museum eine zerbrechliche Skulptur. »Er muss ins Krankenhaus«, sagt er und schiebt ihn auf den Flur. Kopfschüttelnd.
    »Erst redest du davon, dass mein Zimmer für den Kater zu klein ist, und dann schwärmst du von der Größe eures Hofs! Was soll ich denn da denken, wenn Jochen nach Yannick greift?«
    Mario antwortet nicht. Er stützt den stöhnenden Jochen auf dem Weg zum Aufzug. Ich bin ein verrückter Eremit mit Kater, der seine alten Freunde mit der Suppenkelle schlägt. Ich überlege, ob ich ihnen nachrufen soll, dass ich doch mit ins »Riff« gehe, aber ich denke, das fällt aus. Ins Krankenhaus begleiten will ich sie ebenfalls nicht. Im Grunde will ich nur hier sein. Oder auf der Arbeit. Ich schließe die Tür. Wäre ich eine Katze, würde ich mich aus Verlegenheit genital lecken.
    »Yannick?«, frage ich und höre es leise unterm Schreibtisch rascheln.
    »Süßer?«, füge ich hinzu. »Spatz?« Ein leises Atmen durch kleine Nasenlöcher. Es rasselt ein bisschen. Der Kater kommt nicht raus. So geht’s nicht weiter. Eine Pizza noch, dann muss ich zu den Altpapiercontainern unten am Hustadtring.
    Ich vermisse Caterina. Ich vermisse Hartmut und Susanne.
    Ich habe ein Dach über dem Kopf, aber irgendwie bin ich obdachlos. Ich lege Midnight Club in die Playstation. Das Spiel lädt. Auf dem Schreibtisch steht mein Laptop. Ich zögere einen Augenblick. Aufs Deck der besseren Gesellschaft an Bord der Titanic darf ich nicht steigen. Aber vielleicht ist es doch denkbar, Hartmut zu schreiben. Ein paar Zeilen nur. Er wird mich nicht köpfen. Auf dem Fernseher erscheint der Hollywood-Hügel hinter dem Schriftzug des Titels von Midnight Club . Luft aus Sonne und Smog. Wuselnder Verkehr. Ich gebe die Zeilen an Hartmut ein, bevor ich es mir anders überlege. Dann wasche ich meine Schuhe, bestelle die Pizza Popeye und gehe nach Los Angeles.
    > Ich

< Caterina
    Die Farbenkleckser
    16. 03. 2011
    50° 12′ 52.93″ N, 8° 37′ 58.84″ E
    August Macke. Tunesien. Licht. Blau in allen Schattierungen. Weiß durch Gelb. Kräftiges Aquarell mit zartem Pinsel. Ich blättere in einem Buch und studiere die Leichtigkeit Mackes. Seine Zeichnungen sind schnell, transparent und präzise. Kamele, Schiffe, Häuser, Landschaften, Menschen. Ich rieche Gewürze auf dem Bazar, das warme Meer, die flirrende Luft über dem weichen Sand. Die Farben stehen dicht beieinander und zeigen Leben und Bewegung, ohne die Ausarbeitung von Gesichtern. Tupfen werden zu Blüten und Palmen, fast kubistische Flächenaufteilungen zu felsigen Landschaften.
    Ich liege auf der Terrasse meines ehemaligen Zimmers. Die Sonne scheint mir auf den Bauch und August Macke ins Gemüt. Ich hätte genug Geld auf dem Konto, um ein paar Wochen nach Tunesien zu reisen und zu malen. Aber ich würde lieber mit meinem Bärchen dorthin reisen. Er könnte Sport machen, während ich male. Vielleicht hätte er ja auch mal Lust, kreativ zu sein. Auf jeden Fall könnte er jeden zweiten Schritt in neues Wasser springen und baden. Das würde ihm Spaß machen. Und ich sehe mir die Farben und Formen an und mache expressionistische Experimente.
    Dazu müssten wir aber erst mal unsere Familie wieder zusammenführen. Ich lege das Buch auf meinen Bauch und schließe die Augen. Meine Stirn legt sich in Falten, und ich streiche sie wieder glatt. Mir geht diese Funkstille auf die Nerven. Und das Leben bei meinen Eltern auch. Ich bin ihnen dankbar, aber ich komme mir hier vor wie in einer unendlichen Zeitschleife.
    »Nur wer leidet, kann ein Künstler sein.« Die Worte meiner Mutter höre ich so deutlich, als würde sie neben mir stehen. »Du leidest offensichtlich nicht genug, wenn du dich hier in der Sonne aalst, statt an die Leinwand zu müssen.« Ich mache meine Augen auf und schaue mich vorsichtig um. Sie ist nicht da. Mein Kopf fällt wieder auf die Liege.
    Ein Windhauch weht mir um die Nase. Frühling ist die beste Jahreszeit. Alles beginnt neu. Das blau-kalte Licht des Winters, das selbst dauergrüne Pflanzen grau erscheinen lässt, ist einem leichten Gelb-Orange gewichen. Die neuen Pflanzen sprießen in knalligen Farben um die Wette. Ich würde am liebsten jede Blüte einzeln begrüßen, aber wenn meine Mutter mich dabei erwischen würde, gäbe es nur noch mehr Stress. Ich seufze leicht. Meine Herkunftsfamilie stresst mich, weil ich ihr zu nahe bin, und meine Wahlfamilie stresst

Weitere Kostenlose Bücher