Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
anzuheben waren.
Dieses Gartenschach hatten sie gewählt, damit Neugierige jeden Zug und Schlag genau beobachten konnten. Als »Spielfeld« dienten zweifarbige Gartenfliesen, die man entsprechend zusammengesetzt hatte.
Die Umstehenden wetteten, wer gewinnen würde. Zwar war der Bürgermeister von Monton gleichzeitig Schachmeister, aber der Lehrer hatte sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, ihm diesen Titel abzunehmen. Das erkannte man an seinem verbissenen Gesicht.
»Herr Colinou verliert«, meinte ein dicker Mann, indem er sich den Schweiß von der Glatze wischte. Eben tat der Bürgermeister einen Zug und bewegte eine seiner Figuren auf ein anderes Feld.
»Hab ich's nicht gesagt?« rief der dicke Zuschauer. Im Eifer stieß er Superhirn an. »Der Lehrer ist geliefert!«
»Nur, wenn er jetzt den entscheidenden Fehler macht«, erwiderte Superhirn. »Wenn nicht, bricht die Stellung des Gegners zusammen.«
Der Lehrer blickte erstaunt auf die Umstehenden.
»Welchen entscheidenden Fehler sollte ich denn machen?« fragte er ärgerlich.
»Und wieso könnte er mich schlagen?« rief der Bürgermeister.
Beide Spieler waren ziemlich ratlos.
Sie wendeten die Köpfe hin und her und prüften ihre Chancen. Dann sahen sie sich an.
»Na, Junge!« lachte schließlich der Bürgermeister. »Vielleicht zeigst du uns mal, wie du meine Stellung knacken kannst!«
»Ihrem weißen König ist jede Flucht abgeschnitten, obwohl er scheinbar unangreifbar verteidigt ist«, erklärte Superhirn ruhig. »Hilft Ihnen dieser kleine Hinweis?«
Tatsächlich staunte der Lehrer nach einer Weile. »Das hab ich noch nicht so überschaut, und ich hätte mich beim nächsten Zug um alle Vorteile gebracht. Aber nun ist die Partie natürlich ungültig, weil der Junge reingeredet hat!«
»Er kann ja mal gegen mich spielen!« rief der Bürgermeister. »Komm, komm!« Mit dröhnendem Gelächter stellte er die Figuren zurecht, wobei ihm der Lehrer half. Dem Bürgermeister verging das Lachen.
Sehr schnell hatte Superhirn das wichtigste Ziel einer Schachpartie erreicht, nämlich den gegnerischen König »im Griff«, also »im Schach« zu halten. Der Bürgermeister fand kein Feld mehr, um seinen König aus dem Schach wieder herauszuziehen, weil er, wohin er ihn auch setzen wollte, immer durch Superhirns »Schachgebot« seitens einer anderen Figur bedroht wurde. Die Umstehenden klatschten Beifall.
Der Bürgermeister machte Stielaugen und überließ das nächste Spiel dem Lehrer. Aber auch den schlug Superhirn. Er lächelte. »Das kann ja mal vorkommen.« Und er wandte sich den nächsten Gegnern zu.
Als der Flohmarkt abgebaut wurde, um einer überdachten Tanzfläche Platz zu machen, hatte Superhirn vier weitere, geübte Schachspieler überlegen geschlagen: den Pfarrer, den Hafenkapitän, einen deutschen Touristen, von Beruf Rechtsanwalt, und den Polizeichef von Monton. Tati und Micha waren mit Loulou bei den Fischhallen Autoscooter und Gondelrad gefahren, Henri hatte zuletzt den Abtransport des Fesselballons beobachtet, und Gérard war es gelungen, als Reservespieler in die Jugend-Fußballmannschaft von Monton aufgenommen zu werden. Eine Aussage, die aus allen Lautsprechern über Hafenränder und Bucht dröhnte und von den Steilhängen widerhallte, ließ sie allesamt zu den Tribünen drängen.
»Wer spielt gegen Marcel, den Schach-Wunderknaben?« rief ein Mann vom Festkomitee. »Er hat den Schachmeister von Monton entthront und alle erwachsenen Spieler geschlagen! Anmeldungen für morgen erbeten!«
Superhirn war der Held des Tages.
Als das goldene und silberne, blaue und violette Feuerwerk mit Pfeif-und Knalleffekten über der alten Bastion landeinwärts zum Abendhimmel emporschoß, zickzackte, perlte, vielfarbige Riesensträuße bildete oder sich springbrunnenhaft verbreitete – da war es, als feierte man Superhirns Sieg.
Tati gabelte im Gedränge Madame Claire auf und ging mit ihr ins Tanzzelt. Die Jungen aßen noch ein paar Leckerbissen an einer Bude, wobei auch für den Pudel gesorgt wurde. Dann traten sie den Rückweg an. Tati und Madame Claire würden schon rechtzeitig mit dem Gärtnerpaar folgen. Unterwegs lachte Micha: »Also ist Superhirn jetzt Schachmeister von Monton! Warum wird er dann nicht auch gleich Bürgermeister?«
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, erwiderte Superhirn ernsthaft. »Es hat bestimmt schon Schachweltmeister gegeben, die für ein Bürgermeisteramt zu zerstreut gewesen wären.«
»Na, ich weiß nicht«,
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