Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
Schleichfahrt.
Dennoch wurde das Innere in Alarmbereitschaft versetzt. Und das war die reinste Hölle! Nicht mehr – wie in den älteren Raketen – zeigten Wandverfärbungen oder Leuchtsignale die Alarmbereitschaft an. Es sollte gänzlich ausgeschlossen werden, daß jemand sich an den Zustand gewöhnte. Deshalb war raffinierte Vorkehrung getroffen, jeden zu jeder Zeit an die Gefahr zu erinnern. Und zwar auf eine ungemütliche Weise: Wer sich hinlegte, wurde automatisch aus dem Bett gekippt. Das Restaurant gab nur kleine Portionen heraus. Keiner sollte etwa über einer üppigen Mahlzeithocken und träge werden. Die Duschen verweigerten den Dienst. Wer die Turnhalle, das Bordkino oder das Vergnügungs-Center betrat, bekam leichte, elektrische »Peitschenhiebe« ins Gesicht. Im Kommandoraum blendeten unvermittelt die Tischlampen auf, so daß man aus »dösiger« Stimmunggerissen wurde. Die Sofas neigten sich hin und her: Wer sich da gemütlich ausgestreckt hatte, glittsanft von den Polstern auf den Boden. Von Zeit zu Zeit ruckten die Sessel vornüber. Legte sich einer auf den Boden, wurde er nach einem Weilchen durch ein Trommelgeräusch hochgeklopft.
Ruhe – oder gar Schlaf – war nur in Raten möglich. Und an eine geregelte Wacheinteilung war überhaupt nicht zu denken.
Professor Charivari nahm noch einmal Bildfunk-Kontakt mit Biggs auf. Seltsamerweise blieb aber der Ton ausgeschaltet. Charivari beobachtete den fernen Captain, der stumm die Lippen bewegte. Auch Charivari sprach lautlos etwas in sich hinein. Dann schaltete er ab.
»So, Superhirn«, sagte er. »Ich übergebe dir das Kommando. Ich gehe jetzt in mein Privatbüro, weil ich nachdenken muß. Es gilt, einen wichtigen Entschluß zu fassen. In der Bogenplatte ist ein ausziehbares Telefon. Du brauchst nur den Hörer abzunehmen und den Knopf zu drücken. Dann melde ich mich. Rufe mich aber nur an, wenn es wirklich etwas sehr Wichtiges ist!«
»Okay«, nickte Superhirn vom Befehlstisch her.
Als er aufblickte, sah er Henris Augen auf sich gerichtet. »Was faul, nicht?«
Superhirn schwieg. Aber das war schlimmer, als wenn er geantwortet hätte.
Tati, Micha, Prosper und Gérard war nichts aufgefallen. Gérard ärgerte sich, weil er alle zwei Minuten aus seinem bequemen Sessel gekippt wurde. Ebenso schimpfte Prosper auf sein »blödes Sofa«. Tati und Micha waren vollauf mit Loulou beschäftigt. Seit Beginn der Alarmbereitschaft war der arme Hund einem Nervenzusammenbruch nahe.
Micha gab Tati den Pudel. Er versuchte, sich aus einem der teuflisch blendenden Tische Bonbons zu besorgen. Schließlich gelang es ihm auch. Sie waren abgelenkt.
Superhirn und Henri konnten die Köpfe zusammenstecken um sich zu besprechen.
»Mit Charivari stimmt was nicht«, murmelte Superhirn.
»Biggs war auf dem Bildschirm auch so komisch«, teilte Henri seine Beobachtung mit. »Warum funkt man sich per Bild an – und spricht dann nicht miteinander?!«
»Mensch!« Superhirn durchzuckte es wie ein Blitz: »Charivari und Biggs haben gesprochen!«
»Wie denn?«
»Na, lautlos! Taubstummensprache! Sie haben sich die Worte von den Lippen abgelesen!«
»Klar«, durchzuckte es nun auch Henri. »Junge, Junge! Wenn ich bis jetzt in diesem Narrenschiff keine kalten Füße gekriegt habe – jetzt wird's mir unheimlich! Es gibt was, das wir nicht wissen sollen!«
Micha war in der Zwischenzeit mit dem bellenden Pudel auf dem Flur gewesen. Er berichtete atemlos: »An Professor Charivaris Büro ist kein Türöffner!« Er rief es so laut, daß Tati, Prosper und Gérard aufhorchten.
Prosper lief sofort hinaus, um sich selber zu überzeugen. Seine Bestätigung lautete: »Kein – kein Knopf, kein Kontakt, nichts! Auch kein Schlüsselloch!«
»Weshalb verzieht er sich in ein Zimmer, in das wir nicht flüchten können, wenn Gefahr ist?« fragte Tati nervös.
»Der Professor will schlafen, weiter nichts«, brummte Gérard.
»Jetzt?« schrie Micha. »Wo bei uns die Sessel hopsen und wir von den Sofas oder aus den Betten gekippt werden?«
Und nun beging Superhirn einen verhängnisvollen Fehler. Statt die Freunde zu beruhigen und Charivari zu vertrauen, griff er nach dem Telefon. Durch das stumme Gespräch zwischen Captain Biggs und dem Professor war seine Neugier geweckt worden. Er sah einen Zusammenhang zwischen diesem Rätsel und Charivaris plötzlichem Verschwinden im unzugänglichen Büro. Er entschloß sich,dem rätselhaften Geschehen auf den Grund zu gehen.
Sofort meldete sich die
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