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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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– die Benommenheit war weg, in den Zerfall hineingeronnen; was übrigblieb, hatte die Erde aufgesogen. Leer starrte sie vor sich hin, alles sehend, nichts erkennend. In ihrem Kopf waren keine Fragen, keine Wünsche, keine Ziele, kein schmerzliches Nichtwissen, das zu heilen sie sich sehnte. All das war weg und vorbei.
    (Und doch …)
    Es stieg vor ihren Augen auf, wie es so oft in vergangenen Tagen neckend aufgestiegen war … der Erdwind, das Symbol des … das Ornament, das …
    Sie richtete sich hoch (Blut hatte sich in ihrem Schoß gesammelt; es rann auf den Steinboden und gefror dort) und griff in die Luft; sie wollte die Spiralen anrühren – ein mächtiges Gefühl der Erleichterung, ein kurzes Licht in all der Finsternis.
    Der Mann am Höhleneingang spürte ebenfalls etwas – vielleicht war es weiter nichts, als daß sie sich jetzt plötzlich bewegte, nachdem sie so lange zusammengekrümmt und reglos dagelegen und ihre brutale Verstümmelung verborgen hatte.
    Sie begann, mit dem Blut neben ihr auf dem Steinboden Linien zu ziehen, langsam, aber unbeirrt, und wurde immer erregter, als sich die Blutstriche zu der allgegenwärtigen Form verfestigten … die Finsternis erhellte sich, ihre Sinne schlossen sich auf – Lachen, Freudenrufe, ein Wohlgefühl bei der Arbeit auf dem Stein. Der Abgrund wich, sie hatte Sicherheit gefunden …
    So oft hatte ihr Hirn das vergessene Gedächtnis nach vorn gestoßen, das Bild – das Drei-Spiralen-Bild – des veränderten Erd-Zeit-Systems hatte es dringlich nach vorn geschoben. Schon früher; wenn sie daran dachte, was Ashka gesagt hatte, war ihr die hohe Bedeutsamkeit des Symbols aufgegangen, doch nur um fast sofort wieder in Vergessenheit zu sinken … doch jetzt erinnerte sie sich wieder, obgleich ihr Gedächtnis ihr nichts mehr bedeutete.
    Ashka hatte ganz bestimmt recht gehabt mit seiner Befürchtung, daß gewisse lebenswichtige Verbindungen zwischen dem unbewußten Zeit-Zentrum und den höheren Hirn-Arealen im Laufe der Evolution verlorengegangen seien; die Anpassung an die neue Umgebung wurde irgendwo in den Tiefen des Hirns gesteuert; und obwohl ein großer Teil der Persönlichkeit, die einst Elspeth war, jetzt in der Leere zwischen den beiden Universen lag, war das bewußte Denken von jenem Steuerungszentrum isoliert worden, und der Auslösungsmechanismus mußte von Hand implantiert werden. So viele Male in den letzten Tagen, immer, wenn es kritisch geworden war, hatte ihr das Unterbewußtsein das Symbol gezeigt und hatte sie veranlaßt, es aufzuzeichnen und so das Ornament in das Sehzentrum ihrer Hirnrinde einzuprägen und damit den Wechsel auszulösen – doch sie hatte nur die Hand danach ausgestreckt, mit zitternden Fingern nach diesem Geistesbild gegriffen, hatte nicht erkannt, wie wichtig der Akt des Zeichnens war; nicht erkannt, wie verzweifelt wichtig es war, daß sie sich dieses mal so konkret ins Bewußtsein grub …
    … die Todesschwärze schwand völlig, und neues Bewußtsein kroch langsam zwischen die Zellen ihres Gehirns, und als sie das Ornament fertiggezeichnet hatte, brach sie in Lachen aus, fühlte sich wieder leben, fühlte den Schmerz in Brust und Oberschenkel, an ihrem wunden Hals …
    Als ob ihr nach überlanger Qual nun wieder wohl würde. Als ob sie, nach allzu langem Verweilen in regloser Vergangenheitsbetrachtung nun wieder zur Bewegung fände, zu einem zukunftsorientierten Weltgefühl …
    Hinübergleiten – Anpassung – den unberührbaren Geist über die Brücke zwischen den zwei Universen treiben, wohin ihm die körperliche Stofflichkeit, Fleisch und Bein vorausgegangen waren, die den Übergang in einem Nu vollzogen hatten; und jetzt kam ihr nichtstofflicher Teil, der unbeständige, flüchtige Geist, hinterher … durch eine manuelle Operation, nachdem der automatische Prozeß im Laufe der Evolution so säuberlich abgetrennt worden war: Feedback vom Stein zur Hirnrinde – dadurch konnte dieses bizarre Imago, auf das alles Leben auf Erden unbewußt und adaptiv reagierte … nur nicht der Mensch, dessen komplexer Geist alles vergraben hatte, außer einem Schatten des Ornaments, außer einem Echo … dadurch konnte dieses Imago Form annehmen.
    Der Mann am Höhleneingang beobachtete sie eine Weile; dann kam er immer näher zu ihr heran, als spüre auch er die Wirkung des Symbols, als präge sich das Abbild auch dem visuellen Bezirk seiner Hirnrinde ein …
    Draußen frischte der Wind auf, und Schnee wirbelte in die Höhle. Tief in der

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