Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
Vom Netzwerk:
und ihr statisches Leben dynamische Energie bekam; die Tiere und Landschaften an den Wänden schlugen sanfte Wellen.
    „Nach links“, murmelte Gorstein in die Stille hinein, und die Augen des Fahrzeugs drehten sich nach links. Sie zeigten ihm Berge, halb verborgen hinter blauen, baumartigen Pflanzenformen, schwarze Schwingen flatterten die Laub wände entlang und verschwanden blitzschnell nach unten aus dem Gesichtskreis. Scharf glitzerte die Sonne auf den Kristalldrusen, die auf den fernen Hängen hier und dort zutage traten. Auf den Berggipfeln lag es glänzendweiß: Schnee.
    „Jetzt nach rechts“, sagte er leise. Schwindelerregend flirrten die herumschwenkenden Kameras über den Bildschirm, als das Fahrzeug nach rechts abdrehte, grün und purpurrot fuhr das undurchdringliche Unterholz aus dem Gesichtsfeld; Aufglitzern wie von Glas – kristallisierte Erdessenz, vielleicht Quarz, vielleicht Glimmer, vielleicht Diamanten oder die scharfen Kanten von Smaragdbrüchen, von geomantischen Kräften zerrieben und über die gewachsene Erde verstreut. Wenn das Fahrzeug zurückkam, würde es ihm berichten.
    Jetzt hatte es nach rechts gedreht. Es zeigte Schiffs-Meister Gorstein den dahinströmenden Fluß, der hinter dem Fahrzeug breiter war als vor ihm. Noch mehr flatternde Flugtiere gingen in der Ferne nieder, hinter dem Wald, wo sie nicht mehr zu sehen waren. Irgendwo in der Nähe bewegte sich etwas, kaum merklich. Gespannt beobachtete er: Die Kamera erfaßte eine rennende Gestalt, rötlichgelb, pelzig, klein und mager. Pfeilschnell schwand sie aus dem Sichtfeld und kam nicht wieder.
    „Nach rechts!“
    Das Licht fiel auf den glatten Rumpf des Schiffes, anderthalb Meilen weit weg. Jenseits des Schiffes ragte der Erdwall der Kolonie steil aus der Hochebene empor, schlug Bogen an den Windbrechern, verschwamm am weiten Himmel. Ein schwärzlicher, dünner werdender Rauch stieg auf und sank alsbald funkensprühend wieder zur Erde herab.
    Gorstein hörte, daß sich die Tür hinter ihm leise öffnete und wieder schloß, kümmerte sich aber zunächst nicht um den Eintretenden, der, wie er wußte, der Rationalist war.
    Auf dem Bildschirm tauchte soeben eine Frau aus dem Unterholz auf, starrte das Fahrzeug eine Sekunde lang an und rannte dann weiter, bis sie außer Sicht war. Gorstein beugte sich vor und gab Befehl an das Fahrzeug, sie zu verfolgen. Der Roboter gehorchte; das Bild schwenkte ab und fuhr taumelnd am Fluß entlang. Eine Minute später zeigte der Schirm eine dichte Pflanzenmauer, in die die Frau hineingelaufen war, und Gorstein sah ein, daß er sich mit diesem einen flüchtigen Blick zufriedengeben mußte.
    Eine dunkelhäutige Frau, hochgewachsen, sehr schlank, sehr schön. Ihr Haar war kurzgeschnitten, und zwei Juwelen hatten auf ihrer Brust gefunkelt. Bis auf ein Paar primitiver Schuhe war sie nackt gewesen. Ganz bestimmt war sie keine Eingeborene das Aeran.
    „Du wolltest mich sprechen?“ fragte der Rationalist. Es war die ruhige, abgeklärte Stimme eines alten Mannes. Ohne sich umzudrehen, nickte Gorstein langsam. „Ja.“
    Er stand auf, trat zum Fenster, schlug den gemusterten Vorhang zurück und blickte über ein flaches Feld mit ganz spärlichem, mattbraunem, niederem und krummem Bewuchs. Doch am Ende dieses Feldes ragte der mächtige, fast zwanzig Fuß hohe, oben zu einer Art Brustwehr gerundete Erdwall steil empor. Darüber kämpfte immer noch die wirbelnde Rauchfahne mit dem Winde. Wächter gab es nicht. Durch den Spalt im Erdwall war nur der braune, nicht so steile zweite Ringwall zu sehen, eine Wand innerhalb der Wand, eine Doppelschranke gegen die zudringlichen Augen des Schiffes.
    Während er auf die Wälle starrte, empfand er wieder diese Spannung. Unmöglich, die Nervosität zu erklären, dieses Gefühl des Unrechten; doch schon beim bloßen Hinstarren auf diese Kolonie wußte er, daß etwas nicht stimmte.
    Er wandte sich zu dem Rationalisten um. Die Züge des lächelnden Mannes, der dort stand, trugen unverkennbar die Grundprägung uralt-asiatischer Herkunft, doch hatte die Rassenmischung vieler Generationen diese Merkmale überdeckt. Das Gewebe roter Äderchen, das seinen ganzen Körper überzog (vor Jahren hatte er einen Druckunfall gehabt) trug noch mehr dazu bei, die Tatsache zu verschleiern, daß er von allen Rationalisten, mit denen Gorstein je zu tun gehabt hatte, am stärksten jene Rasse verkörperte, die der menschlichen Psyche das Bewußtsein des kosmischen tao so unverwischbar

Weitere Kostenlose Bücher