Erdwind
eingeprägt hat.
Peter Ashka: weißhaarig, mit einem dünnen weißen Bart um die Kante des Unterkiefers, tief sitzenden, strahlendblauen, hinter schweren Lidern wohnenden Augen in einem Gesicht voller Fältchen und Äderchen. Er stand leicht gebeugt, starrte auf den Boden zu Gorsteins Füßen; seine Hände, die eine Leinentasche an die Brust gedrückt hielten, zitterten. Nackte Füße schauten unter seiner blauen und grünen Schiffsrobe hervor, die er eng um die Taille gegürtet trug, so daß man sehen konnte, wie skelettdünn er war. Es war die Magerkeit des Alters, nicht der Rasse, und doch war Peter Ashka, so schwächlich er auch wirken mochte, ein kräftiger, vitaler Mann. Und das war eine große Beruhigung für Gorstein, dem diese Vitalität seines Rationalisten noch wichtiger war als seine eigene Potenz.
Gorstein winkte dem Rationalisten, näher zu treten, und bedeutete ihm, auf der einen Seite der Kommunikationsmatte Platz zu nehmen, die in einer Ecke der Kabine ausgelegt und hergerichtet war.
Ashka, wortlos und in respektvoller Halbverbeugung, trat heran und nahm auf der südlichen Seite der Matte seine Position so ein, daß Gorstein mit dem Gesicht zum Pfeiler saß, dem Äquivalent der Achse jedes rotierenden Planeten. Als sie beide saßen und sich anlächelten (und der Statusunterschied formell aufgehoben war), entspannte sich Ashka und legte seine Leinentasche vor sich. Er blickte Gorstein an und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, seine Kleidung abzulegen. Gorstein löste seine Robe, ließ sie von den Schultern gleiten, so daß der warme Stoff ihn noch umhüllte, die fachmännischen Augen des Rationalisten jedoch die Muskeln und Ecken seines Körpers genau beurteilen konnten. „Du siehst angestrengt aus“, sagte Ashka gelassen. „Angespannt. Ja, angespannt. Gespannt auf irgend etwas. Ja. Sicherlich kann ich dir helfen.“
Der Anflug eines Lächelns berührte Gorsteins Lippen. „Danke. Ich frage mich, ob dein Zauberbüchlein mir hilft oder ob nicht einfach du selbst schon entspannend wirkst …“
Er blickte auf die Gegenstände auf der Matte: einige kleine gemusterte Plastikbüchsen, glatt anzufühlen, jedoch mit ihren vielfach verschlungenen, aus dem Material heraus- und wieder hineintretenden Schmucklinien mit den Augen allein kaum voneinander zu unterscheiden, aber schon auf den ersten Blick faszinierend. Er fuhr fort: „Ich habe Koffein, verflüssigt und mit Schokolade versetzt, glaube ich. Hier ist Mescal“ – er tippte auf den kleinsten Behälter und berührte dann einen dritten – „… das ist Neurobyn, im Augenblick vielleicht nicht ratsam. Und dies hier ist …“ Er brach ab, nahm die letzte Büchse auf, betrachtete sie genau und runzelte die Stirn. Dann schüttelte er sie und lächelte, als er es klappern hörte. „Knopfkekse. Sehr gut. Nimm dir ein paar. Hier ist auch Zuckerstärke, und diese Proteintafel ist echtes Fleisch.“ Er deutete auf die Büchsen. „Bitte sehr – bediene dich ganz nach Belieben.“
Begehrlich blickte Ashka auf die Delikatessen und dann auf zum Schiffs-Meister. „Willst du nicht auch …?“
Gorstein lehnte ab. Er hätte keinen Hunger, und ein Stimulans wollte er nicht riskieren. Enttäuscht blickte Ashka noch einmal kurz auf das Proteintäfelchen und hob die Hände. „Danke, aber ich möchte ebenfalls nichts.“
Gorstein räumte die Büchsen von der Matte, und Ashka setzte seine Leinentasche in das Zentrum des Ringes der ching- Hexagramme, die in den Stoff eingewebt waren. Reine Dekoration, doch unmöglich konnte man die Ruhe, die Ausgeglichenheit leugnen, die sie ausstrahlten. Nur eine Ansammlung von Fäden, rief sie gleichwohl etwas im Betrachter wach, es war, als ob etwas Greifbares von der Matte zum Hirn fließen würde, eine Droge, deren Zauber durch den bloßen Anblick wirkte.
Ashka öffnete seine Tasche und packte den Inhalt aus, den er Stück für Stück ordentlich und präzise vor sich aufbaute, wobei er die Finger kurz auf jedem Stück ruhen ließ: Tarotkarten, abgegriffen, alt. Es war ein Marseiller Talon aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert, und obwohl die Ecken der Karten auf ihrer Reise durch die Zeit gelitten hatten, glänzten die Bilder in hellen, lebendigen Farben; mit dem Alter hatten die Karten an Bedeutsamkeit gewonnen. Ashka schätzte sie hoch, obwohl er sie selten benutzte. Das Mnemo-Terminal, ein kleiner Bildschirm im Ebenholzrahmen, den Ashka im Laufe der Zeit, wie es seine persönliche Gewohnheit war, mit allerlei
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