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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Decke vom Zentrum aus nach außen wegzudriften; doch Ashka saß noch vor ihm, gelassen und lächelnd. Langsam gelangte der Körper des Schiffs-Meisters zu seinem vollkommensten Gleichgewicht (yang und ying dachte er – alle meine Hormonspiegel verändern sich, der Parasympathikus schaltet sich knackend ein, der Sympathikus reagiert auf meinen unterbewußten Befehl und schaltet sich ab, die Körpersysteme entspannen sich, der Muskeltonus stimmt, die Ströme fließen normal … Gleichgewicht – letzten Endes kommt alles nur auf Gleichgewicht an. Inneres, äußeres; auf den Wellen reiten, auf dem Strom der Zeit. Alles steht untereinander in Wechselbeziehung, überschneidet sich, verschränkt sich, Materie und Zeit als Produkte der Struktur des großen tao, jeder Mensch ein fragmentarischer Nebeneffekt dieser gleichen Struktur …).
    „Jetzt?“ fragte er, und der Rationalist trat hinter ihn, berührte seine Handgelenke und seinen Hals, prüfte die Spannung des Bindegewebes. „Nein. Schlechte Verteilung.“
    „Aber ich fühle mich doch ganz entspannt“, protestierte Gorstein.
    „Das reicht bei weitem nicht aus, Karl. Dein Körper ist depressiv.“ Er suchte in seiner Leinentasche und brachte einen fest gerollten Streifen Tuch zum Vorschein. Beim Abrollen erglänzten auf dem grünen Stoff tausend winzige Nadeln im Lichte der Kabine.
    „Depressiv? Zuviel yin wahrscheinlich.“ Ein Eynismus.
    „Wenn du es konservativ ausdrücken willst – gewiß. Wenn du lieber deine elektrischen Hautwerte wissen möchtest …“
    „Nein, nein. Diesen ganzen Unsinn von Sudiom-Fluß und so … Zuviel yin, das reicht mir durchaus.“ Er sah zu, wie Ashka eine winzige Nadel auswählte, die fast unsichtbar gewesen wäre ohne das Glitzern ihres diamantenen Kopfes. Gorstein beugte sich vor und fühlte den winzigen Stich, als die Nadel in seine Haut drang. Konnte diese leichte psychische Depression wirklich der einzige Grund seines Unbehagens sein, dieser lästigen Neurose? Es wäre fast beschämend, wenn jetzt die physische Energie aufsteigen und sich neu verteilen würde, und er hätte auf einmal nicht mehr die geringsten Zweifel über seine Mission. Denn dann hätte er den Rationalisten wegen einer Sache bemüht, zu der er eigentlich selbst imstande sein müßte. Wie unangenehm!
    Von dem Punkt, an dem die Nadel das Fettgewebe durchbohrt hatte, ging ein Gefühl des Fließens aus: Ashka drehte sein winziges Instrument; er hatte die Augen dabei geschlossen, seine Finger glitten leicht über Gorsteins Haut, tastend, spürend, sich einfühlend. Dann ebbte die Spannung in Gorsteins Magen und Gliedern ab. Er hatte sich im Vergleich zu seinem früheren Zustand schon so entspannt gefühlt, daß er sich der noch vorhandenen Restspannung erst bewußt wurde, als sie verging. Der Raum wurde wieder stabil. Er lächelte.
    Ashka fühlte ihm nochmals die Pulse. „Ich wußte nicht, daß du Leberbeschwerden hast. Du solltest wirklich nicht soviel trinken.“
    „Eine kleine Fibrose, durchaus unter Kontrolle. Ich nehme schon seit langem keinen Alkohol mehr zu mir, wie du wissen solltest.“
    Kopfschüttelnd seufzte Ashka. Er war immer noch nicht befriedigt, aber vielleicht merkte er, daß er Gorsteins Körperrhythmus durch weitere Akupunktur nur noch geringfügig beeinflussen würde. Er zog die Nadel heraus, wickelte sie in Gaze und steckte sie wieder in das Tuch. „Jetzt bist du so gut vorbereitet, wie es nur möglich ist.“
    Gorstein sprach die Frage laut aus. Sie erschien auf dem grünen Bildschirm; er sprach das Wort ching aus, der Schirm flimmerte hell auf, und eine Kolonne aus sechs länglichen Flecken erschien, bereit, sich in das Zeichen zu verwandeln, das seine Würfe ergeben würden. Mit einem letzten Seitenblick auf Ashka und einer kurzen, letzten Konzentration auf die Frage warf er die Münzen auf die Kommunikationsmatte. Ihre silbrigen Oberflächen blitzten im Fallen durch das diffuse Licht der Kabine, und die Matte absorbierte die Bewegung. Der unterste Fleck auf dem Schirm verwandelte sich in eine gebrochene Linie.
    Schütteln.
    Die Münzen fielen und rollten, kamen glitzernd zur Ruhe.
    Schütteln.
    Fasziniert beobachtete Ashka, wie die Münzen ihre rätselhafte Botschaft formulierten; Gorstein fühlte, daß ihm der Schweiß ausbrach: Von seiner Stirn tropfte es kalt auf die haarlose Brust.
    Wirf die Münzen – Schütteln, Rollen, Daliegen – Kopf und Zahl, Zahl und Kopf, yin, yang – flink rollten die Münzen über die Matte, seine

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