Erdwind
Duell und dessen Auswirkungen und von Peter Ashkas Mitteilung, daß die Orakel beider Welten zur Annahme geraten hatten.
Auf die Orakel hörten alle – sie, Elspeth, wäre nur die einsame Stimme der Unvernunft gewesen –, und doch wußte sie, daß sie recht hatte. Die Orakel hatten unrecht!
Wie enttäuscht sie gewesen war, als sie Gorstein nicht antraf, der landeinwärts gefahren war, um bei irgendeiner Routineaufklärung seinen Ärger abzureagieren. Während sie am Flußufer saß und auf seine Rückkehr wartete, hatte sie ihre Gedanken gesammelt, hatte im Geiste ihre Forderung, daß er den Aeran verlassen sollte, in mehrere Formen gebracht, doch von keiner glaubte sie, daß sie im gegebenen Moment günstig aufgenommen werden würde.
„Kommen Sie in mein Logis“, sagte Gorstein, und sie folgte ihm in das von seltsamen Gerüchen erfüllte Innere des Schiffes, durch hohe Korridore, an offenen Türen und den Geräuschen zielloser Aktivitäten vorbei. Gesichter starrten sie an, Gespräche erlahmten, als sie auftauchte, und wurden gleich wieder aufgenommen, sobald sie vorbei war. Offensichtlich fiel sie stark auf.
Sie stiegen zwei Decks höher und gelangten wieder zum Bug des Schiffes, wo Gorsteins Logis die ganze Länge des Korridors einnahm. Sein Geschäftszimmer, der Befehlsausgaberaum, sein Bad, sein privates Arbeitszimmer, sein Schlafzimmer, sein Erholungsraum, sein Konsultationszimmer, sein Salon …
Elspeth war von alledem leicht verwirrt. Sie kannte kein anderes Schiff, auf dem der Meister einen so außerordentlich hohen Anteil am Schiffsraum innehatte.
Sie folgte Gorstein in den Salon und blieb unter der Tür stehen. Sie spürte die Frische des Luftzirkulators und merkte, daß ihr die Normalatmosphäre, die sie plötzlich atmete, ein bißchen zu Kopfe stieg.
Der Raum paßte eigentlich nicht zu diesem arroganten Mann, den sie bereits zu kennen glaubte. Flüchtig überlegte sie, ob sie ihn nicht falsch beurteilt hatte – das war das Zimmer eines freundlichen Menschen, ein sanftes Zimmer: Bilder und Tapeten wirkten auf ihren ‚naturalistischen’ Geschmack friedlich und ästhetisch angenehm. Die Möbel waren niedrig und abgerundet, ohne scharfe Ecken oder aggressive Kurven. Es war nicht das Zimmer, das sie erwartet hatte.
Wie zur Bestätigung, daß sie sich trotzdem nicht geirrt hatte, sagte Gorstein: „Dieser Raum ist mir zuwider. Er hat keinen Charakter.“
„Dann geben Sie ihm doch Charakter.“
„Ich möchte schon“, sagte Gorstein, kam ihr etwas näher und sah sie in dem schmeichelnden, wenn auch ein bißchen unechten Licht kurz und prüfend an. „Aber mein Rationalist, wissen Sie, Peter Ashka – er ist ein sehr beharrlicher Mann. In einem unfriedlichen Raum kann man keinen inneren Frieden haben, sagt er. Und ich muß mir diese Dinger an die Wände hängen, dieses …“ – er blickte sich um, grimassierte theatralisch und lächelte dann – „… dieses unbeschreibliche Zeug.“ Wieder sah er Elspeth in die Augen. „Aber in dieser Beziehung lasse ich ihm seinen Willen. Es gibt ihm das Gefühl, daß er … wie soll ich sagen …“ Gorstein suchte offensichtlich nach den richtigen Worten und fuhr dann fort: „… daß er wichtig ist.“
„Ich kenne Ashka“, erwiderte Elspeth gelassen. Gorsteins Hochnäsigkeit gegenüber diesem netten Menschen mißfiel ihr heftig. „Ich mag ihn sehr gern. Er besitzt großes Wahrnehmungsvermögen .“
Gorstein musterte sie spöttisch. „Hat wohl Ihren attraktiven Kopf mit seinem mystischen Sternenschiet vollgestopft, was?“
„Beruht auf Gegenseitigkeit, glaube ich.“
Sein Lächeln war jetzt etwas gezwungen. „Oh – sagen Sie mir nicht, Sie sind auch Rationalist!“
„Sind wir nicht alle ein bißchen Rationalisten?“
Davon war Gorstein nicht beeindruckt. Seine Miene ließ keinen Zweifel darüber. Er wandte sich von ihr ab und trat an einen Wandschrank am anderen Ende des Raumes. „Sehr philosophisch“, sagte er säuerlich. „Ich ziehe mich jetzt aus, weil ich meine Kleidung wechseln will.“ Er wandte sich wieder ihr zu, stockte aber in der Wendung. Ein fragender Ausdruck trat in seine Augen. „Ich dachte, ich sollte Ihnen das sagen für den Fall, daß Sie Lust haben …“
Elspeth konnte sich nicht helfen – sie mußte lachen. Das ärgerte ihn offensichtlich. Kälte stieg langsam zwischen ihnen auf; jeder merkte am Blick des anderen, daß die Feindseligkeiten eröffnet waren. Gorstein, der sie immer noch anstarrte, ließ seine Robe
Weitere Kostenlose Bücher