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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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zu dir.“ Stumm blickte er Ashka an; sein lebhaftes Gesicht mit der schütteren Behaarung verriet deutlich seine Unsicherheit. Endlich fuhr er fort: „Ich dachte, du hättest keine Angst vor dem Tode. Ich dachte, dein Übertritt sei dir bereits angekündigt.“
    „Das stimmt.“
    Nur noch Sekunden. Waren sieben Monate für die treibende Kraft des Aeran-Orakels nur ebenso viele Sekunden? Sekunden. Er war verstört, verwirrt, irritiert. Etwas hatte in seinen Geist geblickt und hatte vielleicht seine wachsende Todesahnung gespürt, hatte sie als unausgesprochene Frage aufgefaßt – wann werde ich sterben? Und es hatte geantwortet. Und sieben Monate waren auch nicht viel, ganz gleich, ob er sich etwas anderes einzureden versuchte. Das Leben war eine Ansammlung von Momenten, aufgereiht am Faden der Zeit. Hier ein glückliches Geschehen, dort ein trauriges; hier Abenteuer – und Lernen; immer ein paar Augenblicke des Lernens, des Einsammelns. Er hatte für die vielen Augenblicke gelebt; und jetzt waren nur noch Augenblicke übrig.
    Das Lied der Erde war nur das Echo dessen, was ihm das ching gesagt hatte. Seine Ausdrucksweise war eben anders, direkter. Weiter nichts.
    Ashka entspannte sich also und beschäftigte sich kurz damit, den lockeren Gürtel seiner Robe fester zu binden. Der Saum des Stoffes war zerrissen und feucht, ein unangenehmes Gefühl auf der Haut. Plötzlich fiel ihm wieder ein, warum er eigentlich hier war. „Was hat es gesagt? Über die Mission, meine ich.“
    Iondai blickte ihn an. „Es hat gesagt, wir sollten es tun. Es hat das gleiche gesagt wie dein ching. Ich habe jetzt großes Vertrauen zu deinem Buch. Ich hätte nie gedacht, daß Prophetenkraft anderswo wohnen könnte als in unserem Orakel. Wir beide zusammen haben etwas begriffen, was wir meinem Volke mitteilen müssen.“
    „Ja“, antwortete Ashka, ohne recht zu wissen, was er sagte. „Sie müssen natürlich auf die Orakel hören. Der Weg, den sie weisen, ist der beste. Es wäre ein schwerer Fehler, von dieser Richtung abzuweichen.“
    Iondai lachte; Ashka konnte nicht ergründen, warum. „Meine vollständige Frage betraf nicht nur die Durchführung der Mission, sondern auch, was dabei herauskommen wird, wenn wir ihnen tatsächlich sagen, was die Orakel prophezeit haben.“
    „Und?“
    „Die Oberen werden zwischen uns stehen.“
    „Hat es gesagt, daß es eine friedliche Lösung gibt?“
    „Kein Hinweis.“
    „Dann frage es.“
    Iondai schüttelte den Kopf. „Das wage ich nicht. Zuviel fragen ist respektlos.“
    „Unsinn!“ rief Ashka aus. „Ein Orakel ist dein Diener, nicht dein Herr.“
    „Das kann ich nicht gelten lassen“, erwiderte Iondai bedrückt. „Wir alle sind Diener der Erde unter unseren Füßen. Sie schützt uns, gibt uns Wohnung, wärmt uns, nährt uns … und sie gestattet uns, das Schicksal zu erkennen. Ihr gegenüber sind wir demütig.“
    Ashka konnte dagegen nichts einwenden. So mußten alle Erd-Kulturen fühlen. Es war nur vernünftig, und er war nicht hier, um ihre Lebensphilosophie zu ändern. Und das ching war, wenn auch nicht sein Herr, so doch eigentlich auch nicht sein Diener. Es war sein gleichberechtigter Partner, und zwar der temperamentvollere von ihnen beiden. Ashka hatte Respekt vor diesem Temperament, und Iondai hatte Respekt vor der machtvollen Erde. In seiner Primitivität sah er sie vielleicht als einen Gott, als ein übergroßes Wesen, an dessen Busen die Aerani sich kuschelten. Das war rational.
    ,Die Oberen werden zwischen ihnen stehen.’ Was konnte das bedeuten?
    „Ich glaube, es meint eine der drei ältesten Familien. Deren Männer sind wild und angriffslustig von Natur; sie glauben nicht recht an das Orakel und verhöhnen es. Sie sind vielleicht …“ – er lächelte dünn – „… ein wenig wie du und meinen, das Orakel sei etwas für die niederen Klassen. Leicht möglich, daß es Schwierigkeiten gibt, wenn sie den Spruch des Orakels ablehnen. Schon bei der Versammlung in der Feuer-Halle waren sie dagegen.“
    „Ja“, bestätigte Ashka und blickte auf den Mund des Orakels. Er glaubte, am Rand des Loches eine Bewegung zu hören, und blickte hinauf, doch er sah nur schwankende Pflanzen und wirbelnde Wolken. „Ja, ich erinnere mich an die Männer, von denen du sprichst.“
    Er dachte jedoch an etwas anderes; an eine Konsultation mit Schiffs-Meister Karl Gorstein; an eine Voraussage, die er erst vor ein paar Stunden gemacht hatte und die sowohl den Schiffs-Meister als auch den

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