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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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abgewetzt: Wo die Metallplatten aneinanderstießen oder sich überlappten, waren Rost- und Korrosionsflecken, das dumpfe, von einem kratzigsummenden Nebengeräusch begleitete Tuckern des Antriebs wurde von dem unnatürlich stummen Wald verschluckt, und dazu rauschte leise das Kielwasser.
    Das fremdartige Fahrzeug mochte vielleicht von einem Ausflug ins Marschland zurückkehren, durch das dieser Strom seinen Lauf nahm, oder auch von einer bloßen Routinefahrt in die Gegenden, wo der Wald schließlich dünner wurde, weil er auf dem mageren Boden und dem Gebirge, das an die übelriechenden Sümpfe grenzte, nicht mehr gedieh. Vielleicht wollte es auch weit in die Berge hinein, durch die Höhlen und Canons, welche die Nebenflüsse ausspien, die diesen breiten und oftmals wilden Strom ernährten. Vielleicht hatte es auch vor, am Ufer anzulegen und seine Besatzung an das in der Nähe liegende Raumschiff zu überstellen. Elspeth Mueller, die am Ufer in einer kleinen Lichtung saß, konnte nicht wissen, wo diese Männer gewesen waren oder was sie gemacht hatten. Es interessierte sie auch nicht weiter. Sie beobachtete den Mann, der im Bug des tuckernd auf sie zukommenden Floßes stand.
    Während die anderen beiden Jenseitler auf den Uferwald blickten, stand dieser Mann, den sie als den Schiffs-Meister erkannte, noch aufgerichtet ganz vorn im Bug des Floßes, Hände auf dem Rücken, Beine breit; der sanfte Wind drückte ihm die weite Robe an den Leib. Er hob sich deutlich wie eine farbenfreudige Silhouette gegen Himmel und Wasser ab: ein untersetzter, muskulöser Mann mit breiter Brust und leicht gerundetem Bauch. Wie ein fester Knoten zeichnete sich sein Geschlechtsteil unter der Robe ab, fast obszön wirkend vor dem durch den Bug gespaltenen Wasser. Dieser Anblick amüsierte sie, denn sie dachte, er müßte es ebenfalls gemerkt haben.
    Unvermittelt bog das Floß zum Ufer ein. Der Schiffs-Meister trat vom Bug zurück und setzte sich auf eine der niedrigen Bänke. Das Floß fuhr Tragflügel aus, hob sich aus dem Wasser und lief auf einem Luftkissen die Uferböschung hinan. Als es ebenen Boden erreicht hatte, stoppte es ab, hob sich zwei Fuß hoch über das Unterholz und blieb schwebend stehen. Elspeth, zwanzig Schritt entfernt, beobachtete es regungslos. Der Schiffs-Meister starrte sie unbeirrt an, und seine beiden Begleiter verhielten sich nicht anders.
    Lächelnd stand Elspeth auf, schritt zum Floß hinüber, spürte den warmen Luftstrom an ihren nackten Beinen, denn der Auspuffwind wollte ihren Rock nicht in Ruhe lassen. Die beiden jungen Männer blickten interessiert auf ihre Blöße, doch der Schiffs-Meister sah sie nur einfach an – es war irritierend.
    Elspeth starrte zurück; die Augen des stattlichen Mannes zogen ihren Blick unwiderstehlich an. Es waren dunkle braune Augen von der Art, die zu Lockerung und Freundschaft einladen – die Augen eines Mannes, dem niemand zu klein oder gering war; Augen, die man lieben konnte, braune Augen, freundliche Augen … und doch wirkten sie bei diesem Manne kühn, boten unmittelbaren Zugang zu seiner großen Stärke und seiner großen Schwäche: ein einsamer Mann, der über allen stand, die er kannte, selbstbewußt, egozentrisch, zornig. Und von Furcht erfüllt.
    Dieses Abwägen dauerte nur einen Augenblick, einen zeitlosen Moment, vielleicht nicht länger als ein Herzschlag, als ein Windstoß, als der schrille Orientierungsschrei eines Schwarzflüglers – nur einen Augenblick –, doch gemessen an der inneren Zeitskala schien die Pause, der geistige Strom zwischen Gorstein und Elspeth Stunden zu währen.
    Gorstein brach das Schweigen. „An Bord!“
    Sie fuhr zusammen bei diesem abrupten Befehl. „Ist das eine Einladung?“ Sie sah, daß die beiden anderen Männer belustigt grinsten. Über sie? Ohne Gorsteins Antwort abzuwarten, kletterte sie ins Floß, setzte sich und hielt sich an einem Sicherungsring fest. Das Floß schwebte langsam über das Ufergebüsch, stieg dann hoch und über den Wald, so daß das Raumschiff und der mächtige Erdaufwurf des crog in der Ferne sichtbar wurden; dann senkte es sich langsam und landete mit den Männern und Elspeth ein paar Yards vor der bewachten Rampe des Raumfahrzeugs entfernt.
    Als der Antrieb des Schwebefloßes verstummte, sprang Elspeth hinaus und starrte auf die bullige, häßliche Gilbert Ryle. Vor ein paar Stunden war sie bereits hiergewesen und hatte das Schiff ebenso angestarrt. Sie war wütend gewesen, ganz durcheinander von dem

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