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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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vielleicht wollte er dort ihre Sexualität erkunden, vielleicht die Natur ihrer Persönlichkeit (insoweit recht gut hinter der Fassade eines billigen Zynismus verborgen), vielleicht suchte er einen Hinweis darauf, wie dieser Konflikt ausbrechen würde.
    Sein Interesse an ihr entfachte ihr Interesse an ihm. Er war kein besonders gutaussehender Mann, aber eindrucksvoll. Er strahlte Selbstvertrauen aus mit seinem ständigen Lächeln, seinen leicht zusammengekniffenen Augen, die sie nicht nur ansahen, sondern ausforschten. Er war körperlich nicht sehr gut in Form, an Armen und Beinen hatte er etwas Fett angesetzt, doch sie nahm an, das sei nur die vorübergehende Dicklichkeit beim Übergang von der Jugend zum mittleren Lebensalter, eine Folgeerscheinung der Verlangsamung seiner Physis. Gorstein war noch verhältnismäßig jung, immer noch auf der Höhe seiner Vitalität. Er würde das Übergewicht bald wegtrainiert haben.
    Er war nur einen Zoll kleiner als Elspeth; sie fühlte sich ihm in dieser Hinsicht nicht überlegen, und ihm seinerseits schien es, als er näher trat, auch nichts auszumachen, daß die Frau etwas größer war. Äußerlich war Gorstein der Herr über alles, was unter seinem Befehl stand, und auch seine eigene Persönlichkeit hatte er voll unter Kontrolle. Er strahlte Vertrauen und Magnetismus aus, wie eine Lampe Licht und Wärme ausstrahlt. Und doch verbarg er so offensichtlich eine tiefer sitzende Schwäche, daß Elspeth sich versucht fühlte, ihm zu sagen: Bekenne!
    Es war beinahe müßig, daß sie sich fragte, ob Gorstein sie begehre. Solche Gefühle können nur wenige Männer verbergen, selbst wenn sie es wollen; doch Gorstein war ein Mann von so verwirrender und augenblendender Selbstprojektion, daß sie den Verdacht, er schätze ihren Wert als Sexualobjekt ab, kaum für unfair halten konnte. Sie hoffte immerhin, daß sie sich da irrte. Auf jeden Fall würde sie es bald merken, wenn er dergleichen im Sinn hatte; sie bereitete sich auf eine unverblümte Attacke vor, denn Gorstein war bestimmt kein sehr subtiler Mann.
    Schließlich brach sie das Schweigen. „Wann sollen wir uns den Krieg erklären?“
    Gorstein lachte. „Wann immer Sie wünschen.“
    „Eine Friedenserklärung wäre mir lieber. Ich habe verschiedenes mit Ihnen zu besprechen.“
    „Ich nicht. Oh, wir können miteinander reden, ich wollte nicht sagen, daß wir das nicht könnten.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber ich traue Ihnen nicht.“
    „Oh?“
    „Warum sollte ich? Ein seltsames Mädchen auf einem sonderbaren Planeten. Läuft nackt herum, wenn es allein ist, und nicht viel weniger nackt in der Gesellschaft. Ich weiß, Sie sind von einer dieser barbarischen, rückständigen Stammes-Welten … Orgon? Phädra?“
    Es dauerte den Bruchteil, nur den Bruchteil einer Sekunde, bis sie auf den Namen kam, den Namen ihres Planeten, ihrer Heimatwelt; und dabei durchfuhr es sie eiskalt. Wäre ihr der rettende Name nicht doch noch eingefallen, hätte man ihr den furchtbaren Schrecken sicherlich angesehen. „Neu-Anzar.“
    „Ach so, ja.“ Er blickte flüchtig auf ihre Brust. Wenn er mich anfaßt, haue ich zu. „Ich dachte mir vorgestern gleich, daß es Diamanten seien. Sie sind eine magda, wie?“ Sie gab keine Antwort. „Neu-Anzar“, fuhr er fort, „nun, da haben Sie’s ja. Sie sind so weit entfernt von der Norm wie nur möglich. Sie sind mir so verdächtig, daß ich nicht einmal weiß, warum ich hier stehe und mit Ihnen rede.“
    „Die Antwort darauf, Schiffs-Meister, ist, daß Sie außerdem von mir fasziniert sind.“ Sie lächelte lieb. „Ist es nicht so?“
    „Ich möchte wissen, was Sie hier machen.“
    „Oh, das ist ganz einfach“, erwiderte sie mit spöttischem Ernst. „Ich bin hier, um die Blätter von Ihrem Schicksalsweg zu fegen, um mich quer über den Abgrund der Unsicherheit zu legen, damit Sie sicher auf meinem Rücken hinüberschreiten können.“
    Gorstein lächelte nicht, reagierte überhaupt nicht. Nach kurzem Schweigen sagte er: „Ich denke, Sie sind hier, weil Sie mich umbringen wollen.“
    „Umbringen? Warum denn das?“ fragte sie erstaunt.
    „Ganz einfach. Sie wollen etwas; Sie wollen etwas, das mit mir zu tun hat. Sonst wären Sie nicht hier. Ganz klar, daß ich Ihnen im Wege bin. Logischerweise ist der einzig mögliche Weg, es zu bekommen – was es auch sein mag –, der, daß Sie mich töten. Habe ich nicht recht, Mueller? Sie sehen ein bißchen besorgt aus.“
    „Weil mir ein bißchen

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