Erdwind
Schmerz der verletzten Kopfhaut ihr durch den ganzen Körper schoß, grinste Moir sie ve r gnügt an und sagte: „Darren ist dort unten.“
„Wo?“
Moir blickte in die Richtung, aus der das Tiergebrüll kam, e i nen engen, niederen Gang hinunter. Elspeth schüttelte die letzten kl e benden Reste ihres Schlafes ab und erkannte, daß es sich um ein physikalisches, nicht um ein biologisches G e räusch handelte. Wind?
„Dort unten“, erläuterte Moir, „beim Lied der Erde.“
„Ist das das aeranische Orakel – dieser Ton?“ fragte sie erregt.
„Das Lied der Erde, ja. Es bläst aus einer Höhle nahe beim crog, und Iondai befragt es, wenn er etwas über die Zukunft wissen will. Am Tage nach deiner ersten Jagd ha t ten wir es dir gezeigt.“ Trauer klang aus ihrer Stimme und das Gedenken an die glückl i cheren Stunden vor der Ankunft der Jenseitler.
„Iondai befragt den Wind? Wie macht er das?“
Moir wunderte sich offensichtlich, daß Elspeth ausg e rechnet jetzt so interessiert war. „Er stellt sich oben hin und spricht zu ihm“, sagte sie achselzuckend.
„Und Darren tut das jetzt auch?“
„Nein“, sagte Moir, überrascht, daß Elspeth sie nicht ve r sta n den hatte. „Nein, er wartet bloß, daß es schwächer wird, damit wir durch den Gang nach oben gehen können. Er sagt, er hat gehört, daß es weiter oben noch mehrere Gänge gibt, und der Wind kommt nur durch einen. Aber sie führen alle in die Berge hinauf, und wir können sie benutzen, um den Jägern in den Rücken zu kommen.“
Neugierig verließ Elspeth die Höhle und kroch in den Gang, dem sausenden Wind entgegen. Das Brausen wurde immer ohrenb e täubender, je weiter sie kam, und erstarb dann plötzlich. Elspeth zögerte und fragte sich, was da g e schehen sein mochte; da sah sie Darren, der ihr entgege n kam. Mißtrauisch musterte er die Gestalt, die da im Hal b dunkel vor ihm stand, und erkannte Elspeth. „Hol Moir“, sagte er, „wir haben vie l leicht nicht viel Zeit.“
„Hier bin ich schon“, rief das Mädchen, und Elspeth sah, daß Moir ihr in den Tunnel nachgegangen war (vielleicht weil sie Angst gehabt hatte, allein in der Höhle zu bleiben) und daß es das Licht ihrer Fackel gewesen war, das sie hi n ter sich bemerkt hatte. Moir übergab Darren die Fackel, der mit ihr voranging. Moir schulterte den Lederpacken mit dem übriggebliebenen Essen. Elspeth wollte helfen, doch das lehnte Moir ab. „Wenn er schw e rer wird, dann ja“, sagte sie, „jetzt ist es noch nicht nötig.“ Elspeth bemerkte, daß Moir immer noch den kleinen Beutel aus Schwarzflüglerleder um den Hals trug.
Sie gingen wieder zum Haupt-Windkanal, und Darren trat vorsichtig in den breiten, niedrigen Gang, blieb einen M o ment mit vorgehaltener Fackel stehen und blickte in den R a chen des Tu n nels. Elspeth sah auf der anderen Seite einen schwachen Lich t schimmer.
„Das ist das Orakel“, flüsterte Moir. „Wenn Iondai dort unten ist, kann er vielleicht die Fackel sehen.“
„Hast du das gehört, Darren?“ fragte Elspeth.
„Iondai interessiert mich gar nicht“, erwiderte Darren mürrisch, doch er senkte die Fackel so weit, daß sein Körper das Licht zum anderen Ende des Ganges hin abschirmte. „Kommt weiter.“
Er schritt voran über den steinigen Boden. Moir jamme r te, weil es so naß war, und wenn sie ärgerliche Schreie au s stieß oder platschend in eine Pfütze trat, wurde ihr Bruder böse.
Elspeth fand es lästig, daß der Gang so niedrig war, doch sie blieb ruhig und gab sich Mühe, immer tiefgebückt zu gehen. Ein kalter Wind, nicht stark, aber unheildrohend, blies ihnen entg e gen, kühlte den Schweiß, machte sie aber auch heftig schauern. Das Licht hinter ihnen schwand. Der Tunnel vor ihnen wollte kein Ende nehmen. Der Wind wu r de stärker, schwoll an und ab wie das schwere Atmen eines Schläfers in Alpträumen. Wenn der Wind Sturmesstärke erreichte, würde er sie wie Treibgut in den Gang zurückbl a sen, gegen Wände und Decke schleudern, bis ihre Leiber mit zerbrochenen Knochen ins Freie hinausgespien wu r den …
Diese Vorstellung – zerbrochene Leiber im Sturm – kam ihr i r gendwie vertraut vor – ein kurzer Stich verzweifelten Schmerzes –, aber es ging rasch vorbei. Nur so eine irrati o nale Angst, dachte sie.
Ein bitterkalter Windstoß warf sie alle drei zurück. Moir schrie auf, als die Fackel erlosch und sie plötzlich im Stoc k finstern standen.
„Es kommt wieder“, kreischte das Mädchen.
„Sei
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