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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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das Orakel der Wandlungen war und wie verhängni s voll dieser Augenblick des Interessenkonflikts vor ein paar kurzen Min u ten gewesen war. Er lockerte die angespannte Todeskontrolle und ließ das Leben mit dem dunkelroten Blut, das sein Wille bis jetzt abg e dämmt hatte, aus seinem Körper rinnen.

Abrechnung

13
     
     
     
    Sie rannte den steilen Abhang hinauf, packte das dürre Gras und zog sich die scharfe Kante hoch. Was jenseits der Kante war, konnte sie nicht sehen, doch sie wußte, wenn sie es schaffte, über den Hügelkamm zu gelangen, war sie in S i cherheit. Irgendein fremdartiges Wesen war hinter ihr her, verfol g te sie. Sie konnte es hören und hatte Angst. Es atmete eisig. Eine Sekunde lang war ihr, als würde sie ganz starr, und sie versuchte verzweifelt, ihren Leib über die letzten paar Fuß des Grates zu ziehen; doch sie war wie gelähmt, bewegungsunfähig. Das furchtbare Wesen hinter ihr rief i h ren Namen, kam heran, um ihr den Rest zu geben. Dann fiel ein Donnerschlag, tief, dröhnend – und sie sah auf. Eine Säule aus eisigem we i ßem Schnee erhob sich über dem Grat, bereit, sich auf den Hügel zu ergießen und sie zu verschli n gen. Sie schrie auf, doch eine Sekunde später schoß die L a wine seitwärts und abwärts hervor, hüllte sie ein, begrub sie, trug sie hinab in ein bitterkaltes Grab. Schnee drang ihr in Nase und Mund, machte sie husten und würgen, riß ihr A r me und Beine auseinander, drang unter die Kleidung, haftete auf der Haut, so daß sie lan g sam erstarrte.
    Vor ihr tanzte etwas in der Luft. Eine Doppelspirale, zu einer Dreiecksform verbunden. Das Ornament schwebte vor ihren A u gen, drehte sich erst links-, dann rechtsherum. Sie griff d a nach, spürte mächtige, freundliche Wärme, doch das Gebilde entzog sich ihr, blieb außer Reichweite. Sie rannte hinterher, rief es an, doch das fremdartige Ding tänzelte hierhin und dorthin, entglitt ihr immer wieder, wenn sie es berührte. Finsternis drohte hinter ihr, der Schatten irgende i nes furchtbaren, abseitigen Wesens, einer grauenerregenden Kreatur, die sie verschlingen wollte; sie floh davor, jagte dem Schatten der Spirale nach, streckte flehend die Arme aus, doch das Gebilde glitt wiederum hinweg, ve r schwand in der Ferne, und der kalte Atem des scheußlichen Wesens hi n ter ihr berührte ihren Na c ken, nagelte sie fest …
     
     
    Ein junger Mann starrte hinunter in ihr Gesicht. Hinter ihm stöhnte ein Ungeheuer, das sie nicht sehen konnte, laut und schreckenerregend auf, als wollte es sie verschlingen. Sie schrie, doch der Jüngling faßte zu und drückte sie zu Boden; ein kühler Stoff berührte ihre Stirn, und sie sah ein lächel n des Mädchen. Wieder stöhnte das Unwesen; sein e i siger Atem jagte ihr einen Schauer durch den Leib. Der Ju n ge nannte sie beim Namen …
    „Sie kommt wieder zu sich“, sagte das Mädchen.
    „Elspeth – geht es dir besser?“
    „Darren?“
    Sie fuhr auf aus ihrem Alptraum; Dunkelheit und Eise s kälte en t schwanden so schnell wie der Wind. Das Stöhnen war i m mer noch zu hören, doch es war weit weg. Es war kalt. Sie befanden sich in einer kleinen Felsenhöhle. Eine einzelne Fackel warf i h ren unsicheren Schein auf die Kanten und Zacken des Felsens. Ihr Gesicht war heiß. Sie betastete ihre Wangen. Fieber, dachte sie. Und: Wo bin ich?
    „Ich dachte, du stirbst“, sagte das Mädchen.
    „Moir“, rief Elspeth und umarmte sie. „Irgend etwas hat mich getroffen … als ich wegrannte …“
    „Das hier“, sagte Darren und hielt das behauene Quar z messer hoch. Die winzigen Kristalle des Steins glitzerten im Facke l licht. Das Messer war unvollkommen zugehauen, doch a n scheinend war es ihm wertvoll, denn er hielt es vor ihr hoch, ließ es jedoch nicht los, als sie danach griff und es nehmen wollte.
    „Vor ein paar Tagen habe ich mein Kristallmesser verl o ren“, sagte er, „jetzt habe ich Ersatz. Du hast Glück, daß du noch lebst, Elspeth.“
    „Das will ich gern glauben“, antwortete sie. Sie berührte die wunde Stelle am Kopf, spürte verkrustetes Blut und eine schmerzhafte Beule unterm Haar. „Wo sind wir übrigens?“
    „In einem Tunnel nicht weit vom crog. Wir sind schon zwei Tage hier.“
    „Zwei Tage!“
    „Es kommt einem länger vor“, sagte Moir lächelnd. „Du hast geschrien und um dich geschlagen. Du bist sehr schwer zu pfl e gen.“
    „Und ich bin fast verhungert“, sagte Elspeth laut, als ihr das auf einmal klar wurde. „Wer erjagt mir

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