Erdwind
der höheren Cortex kommunizieren konnte. Es war ein sehr primitives Zentrum, in dem die Rea k tion auf die fluktuierende Zeit stattfand …
Zentrum? hatte sie gefragt. Ein Zellhaufen, hatte er e r klärt, der für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich ist – wie etwa das Konstanthalten der Körpertemperatur oder die Überw a chung des chemischen Gleichgewichts im Körper.
Dieses spezielle Zentrum, eine Zellgruppe, die als G e hirncomp u ter fungierte und Veränderungen im Zeitablauf entdeckte, war vielleicht durch Evolution in primitiven Ti e ren entstanden, als solche Veränderungen etwas ganz G e wöhnliches w a ren. Doch zu der Zeit, als sich der Mensch entwickelt hatte, mochten diese Fluktuationen aufgehört h a ben, wenn auch nur vorübergehend, denn in Irland hatte es im Steinzeitalter eine örtlich begrenzte Veränderung geg e ben. Doch während der größten Spanne seiner Existenz hatte der Mensch immer nur in einem stabilen Raum-Zeit-System gelebt. Das winzige Zentrum war durch den Nich t gebrauch untergegangen, überflüssig geworden und ins Dunkel gest o ßen worden. Wer wußte, w o hin? Wer konnte wissen, wie viele solcher winzigen Zentren unentdeckt und unverwertet im menschlichen Hirn verborgen lagen? Doch dieses eine, dieses Zeitsinn-Zentrum besaß jeder Aerani, und er hatte die Veränd e rung wahrgenommen.
Wie der Erdstrom im Fels, so flossen Zeit und Energie präz i se und systematisch durch die menschliche Hirnrinde, und di e ses System war ein Teil der evolutionären Erbschaft, vielleicht etwas der Hirnoberfläche für immer Eingedruc k tes. Als sich dieses S y stem, dieses Zeitmuster geändert hatte, war der Hirnrinde – vielleicht mittels des Zeitsinnes – b e wußt geworden, daß sich die Zeit verändert hatte. Vielleicht hatte dieses winz i ge Zentrum in einem primitiven Hirngebiet das neue Muster erkannt und hatte dann alle notwendigen Adaptierungsma ß nahmen in Gang gesetzt, damit der Verstand dem Körper folgen und einen glatten Übe r gang in die neue Umwelt vollziehen konnte – es hatte unter and e rem das ching abgestoßen, weil es in einem prädestinierten Un i versum nutzlos war …
Hatte es auch die Erinnerung an das alte Universum abg e st o ßen? Lag der Grund für den Zerfall ihrer Persönlichkeit in ihr selbst? Lauerte irgendwo zwischen den stummen Ze l len ihres Gehirns ein längst verlorengegangener Mechani s mus, der dort vor Äonen installiert worden war, damals, als die Schwanku n gen des tao, die, wie Ashka meinte, solche Unordnung in den Zeitablauf brachten, etwas ganz Gewöh n liches waren, so daß immer wieder ein Adaptionsprozeß stattfinden mußte?
Der Schatten in dem Traum, den sie vor ein paar Tagen geträumt hatte, erschien in neuer Gestalt, nicht mehr so u n heimlich, aber beinahe noch furchterregender, denn das G e sicht der Bestie war ihr eigenes Gesicht, und sie konnte gar nichts dag e gen machen.
Ashka hatte nur einen Aspekt erwähnt, einen vagen G e danken … wenn das Zeit-Zentrum so tief vergraben war, konnte es sein, daß es jetzt nicht ganz richtig funktionierte; es war von grundlegender Bedeutung zu wissen, ob die Ve r änderungen, die die Me n schen erlitten, auch die richtigen durch das Zeitzentrum ausgel ö sten Veränderungen waren und nicht die Au s wirkungen eines Zeitzentrums, das sich mehr oder weniger erfolgreich bemühte, Veränderungen bei durchtrennter Leitung in die höheren Hirngebiete zu ko m munizieren.
Das letzte, das Ashka zu ihr gesagt hatte, bevor ihr Ve r stän d nis völlig aussetzte, fiel ihr wieder ein und wollte jetzt, da sie so tief in ihre Überlegungen verstrickt war, gar nicht mehr weichen: Bilder, Klänge, Buchstaben und Formen gleicherm a ßen sind Symbole (hatte er gesagt) und können sämtlich dazu verwandt werden, kodifizierte Gedanken oder Veränderungen zu kommunizieren … und einige der Sy m bole auf dieser Welt, vielleicht auch auf unserer eigenen Welt in fernster Vergangenheit, veranlassen uns zu Han d lungen, ohne daß wir wissen, warum wir so handeln … oder sogar, daß wir überhaupt so handeln …
Es war natürlich eine Binsenwahrheit, aber wie so ma n ches durchaus Vernünftige war es Elspeth nie in den Sinn geko m men, bis sie es gehört hatte. Das waren die Worte, an die sie im crog gedacht hatte, in jener Nacht, als sie einen Augenblick lang das Erdwind-Symbol begriffen hatte … aber eine plötzliche Panikwelle hatte dieses Verstehen hi n weggeschwemmt.
Als sie sich jetzt an seine Worte
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