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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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soviel tri n ken.“
    „Eine kleine Fibrose, durchaus unter Kontrolle. Ich ne h me schon seit langem keinen Alkohol mehr zu mir, wie du wissen solltest.“
    Kopfschüttelnd seufzte Ashka. Er war immer noch nicht befriedigt, aber vielleicht merkte er, daß er Gorsteins Kö r perrhythmus durch weitere Akupunktur nur noch geringf ü gig b e einflussen würde. Er zog die Nadel heraus, wickelte sie in G a ze und steckte sie wieder in das Tuch. „Jetzt bist du so gut vorbereitet, wie es nur möglich ist.“
    Gorstein sprach die Frage laut aus. Sie erschien auf dem gr ü nen Bildschirm; er sprach das Wort ching aus, der Schirm flimmerte hell auf, und eine Kolonne aus sechs län g lichen Flecken erschien, bereit, sich in das Zeichen zu ve r wandeln, das seine Würfe ergeben würden. Mit einem let z ten Seitenblick auf Ashka und einer kurzen, letzten Konze n tration auf die Frage warf er die Münzen auf die Kommun i kationsmatte. Ihre silbrigen Oberflächen blit z ten im Fallen durch das diffuse Licht der Kabine, und die Matte absorbie r te die Bewegung. Der unterste Fleck auf dem Schirm ve r wandelte sich in eine gebrochene Linie.
    Schütteln.
    Die Münzen fielen und rollten, kamen glitzernd zur Ruhe.
    Schütteln.
    Fasziniert beobachtete Ashka, wie die Münzen ihre rä t selha f te Botschaft formulierten; Gorstein fühlte, daß ihm der Schweiß ausbrach: Von seiner Stirn tropfte es kalt auf die haa r lose Brust.
    Wirf die Münzen – Schütteln, Rollen, Daliegen – Kopf und Zahl, Zahl und Kopf, yin, yang – flink rollten die Mü n zen über die Matte, seine Hände zitterten, wenn sie die kle i nen Metallscheiben freiließen; die fünfte Linie war eine g e brochene, beide Mä n ner starrten auf das Schirmbild – sie wußten, was das ching ihnen verkünden würde.
    „Tu den letzten Wurf“, sagte Ashka leise. „Verbanne den Gedanken an das Resultat völlig aus deinem Geist. Wiede r hole die I n sulare … wiederhole die Frage …“
    Innerlich wiederholte Gorstein die Worte, ließ sie einen M o ment in seinem Geiste widerhallen – jetzt ging es ihm weniger um die Frage selbst, als um die furchtbare En t scheidung, die sein letzter Wurf bringen würde. Denn es gab nur zwei Möglichkeiten: die gebrochene Linie für den E r folg, die ungebrochene für den Feh l schlag … Stagnation … Hexagramm 45 ‚Die Sammlung’, oder 47 ‚Bedrängnis’. Wie furchtbar, sich den Entscheid vorher au s zumalen; doch es war unmöglich, nicht zu sehen, daß nur diese beiden Hex a gramme in Frage kamen, das eine, das sich Gorstein so wünschte, das andere, das er so fürchtete.
    Er warf die Münzen.
    ,Bedrängnis’!
    „O mein Gott!“ rief er aus. Er hatte das Gefühl, leiche n blaß g e worden zu sein, innerlich so tot, wie sein verzerrtes Gesicht ä u ßerlich schien. Seine Spannung verflüchtigte sich rasend schnell, sein Unbehagen schwand dahin, und an ihrer Stelle überfiel ihn eine derartige Katastrophenstimmung, daß er beinahe mit einem Aufschrei rücklings in die Falten se i ner Robe gesunken wäre.
    Es ist doch nur ein Buch, sprach eine Stimme in seinem Innern; aber er war so durcheinander, daß er keine sachl i chen Überlegungen zum Wert oder Unwert des Buches a n stellen konnte.
    Er blieb sitzen, zutiefst erschüttert. Ashka sah ihn etwas erschrocken an. „Sei doch nicht so irrational! Gott existiert nicht. Er war immer nur eine Entsprechung dessen, was u n sere Ahnen im tao sahen. Und überhaupt – warum so depr i miert, Karl? Sol l test du etwa in fünfzig Lebensjahren – in dreißig davon hattest du ständig Rationalisten zu deiner Ve r fügung! – immer noch nicht erfaßt haben, daß das ching warnt, Trends aufzeigt, aber nicht prophezeit? Kannst du so etwas immer noch gla u ben, Karl?“
    „Wie lautet der Text? Wie steht es im Buch?“
    „Unsinn, Karl“, wehrte Ashka ab. „Das Orakel hat dich falsch beeinflußt, und weder ich noch das Orakel können dich ändern …“
    „Lies mir vor, was dasteht!“ entgegnete Gorstein heftig, und schon beim Sprechen dachte er: Warum? Das ist doch ganz egal? Es ist doch nur ein blödes Buch, eine Krücke – warum kann ichs nicht abschütteln wie Regen, wie eine l ä stige Frau?
    Ashka nahm das Buch auf, doch er öffnete es nicht, so n dern barg es in beiden Händen. „Es gibt kein Verstehen. Das Große geht, das Kleine kommt …“
    „Und was heißt das, deiner Meinung nach, Peter?“ Ist mir doch ganz egal.
    Ashka legte das Buch vor sich hin und blickte auf den mürben

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